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Innovation in der Altenpflege: Forschungsprojekt zu digitalen Assistenzsystemen

Innovation in der Altenpflege: Forschungsprojekt zu digitalen Assistenzsystemen

Eichstätt. – Digitale Assistenzsysteme sollen Pflegekräfte bei der Betreuung von Patienten unterstützen und entlasten. Eine neue Lösung ist dabei ein am Körper angebrachtes Sensormodul, das dem Pflegepersonal via Funktechnologie meldet, wenn ein Bewohner gestürzt ist oder Gefahr läuft, sich wund zu legen. Die Professur für Sozialökonomik und Sozialmanagement der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) beteiligt sich nun an einem Forschungsprojekt, das die Chancen und Probleme eines Einsatzes solcher digitalen Assistenzsysteme im Alltag von Pflegeeinrichtungen unter die Lupe nimmt, insbesondere auch die notwendige Voraussetzung einer störungsfreien Funkanbindung.

Digitale Assistenzsysteme in der Altenpflege erforscht Ku-Professor Jürgen Zerth. Foto: upd/ Schulte Strathaus

Das digitale Assistenzsystem moio.care wurde für den Pflegemarkt entwickelt. Wichtigstes Element des von dem Unternehmen Ahead Care GmbH angebotenen Systems ist ein Sensormodul, das mittels eines Klebepflastersdirekt am Körper angebracht wird. Es misst mit hoher Präzision pflegerelevante Daten. Durch die flache und leichte Bauart kann es rund um die Uhr getragen werden, auch beim Schlafen oder Duschen. Der Sensor registriert, wenn der Patient stürzt oder wenn eine im Bett liegende Patientin sich nicht ausreichend bewegt hat, sodass ein Lagewechsel notwendig wird, um Druckstellen zu verhindern.

Auch eine Positionsbestimmung ist möglich: Der Sensor registriert dann, wenn der Bewohner einer Pflegeeinrichtung einen bestimmten Bereich verlässt. Im besten Fall lässt sich der Vermisste dann über die Positionsdaten rasch auffinden. Die Informationen vom Sensormodul werden per Funk an ein Cloudsystem übertragen. Die Pflegekräfte etwa in der stationären Pflegeeinrichtung können mit ihrem mobilen Endgerät darauf zugreifen oder werden durch eine Push-Nachricht informiert, wenn ihr Handeln erforderlich ist.

Fünf Millionen und wachsender Bedarf

In Deutschland sind heute rund fünf Millionen Menschen pflegebedürftig, ihre Zahl wird in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen. Damit wächst der Druck auf die ohnehin zu wenigen und überlasteten Pflegefachkräfte. Mit digitalen Assistenzsystemen sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von bestimmten Tätigkeiten entlastet oder unterstützt werden. Zu den Anwendungsmöglichkeiten beispielsweise von Pflegerobotern forschen auch regelmäßig die Fachbereiche Pflegewissenschaften und Sozialökonomik der KU. In dem neuen Projekt „Digitale assistive Sensortechnologien in der stationären Pflege vernetzen“ – kurz DiSPnet – untersucht jetzt Professor Jürgen Zerth die Anwendung des Assistenzsystems moio.care. Zerth hat an der Fakultät für Soziale Arbeit die Professur für Management in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens inne. Das Projekt wird gemeinsam mit der Ahead Care GmbH, dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS und einer Pflegeeinrichtung des Bayerischen Roten Kreuzes in Kronach durchgeführt.

In verschiedenen Studien habe sich gezeigt, dass der Einsatz digitaler Technologien meist nicht durch eine fehlende Bereitschaft in der Pflegepraxis erschwert wird. Gründe hierfür seien eher in Hemmnissen der konkreten Umsetzung in den jeweiligen Einrichtungen zu finden, so Lars Zimmermann, Geschäftsführer der in Erlangen ansässigen Ahead Care GmbH. Jürgen Zerth ergänzt: Der Einsatz der digitalen Assistenzsysteme scheitere häufig am mangelnden Wissen über zielführende Anwendungsszenarien, an der technologischen Anbindung sowie an tragfähigen Geschäfts- und Finanzierungsmodellen. Damit der intelligente Sensor seine Daten zuverlässig übermitteln kann, braucht es eine sichere Funkverbindung. „Wenn aber die WLAN-Abdeckung in Einrichtungen der stationären Altenpflege, etwa bei Gebäuden mit Stahlbetonbauweise, unzureichend ist, dann ist die Anwendung auf WLAN-Basis nur mit hohem wirtschaftlichem Aufwand möglich“, so Zerth.

Neuer Fraunhofer-Funkstandard

Daher wird nun für den Einsatz des intelligenten Sensors moio.care der alternative mioty-Funkstandard getestet. Dieser ist eine Entwicklung des Fraunhofer-Instituts IIS und zeichnet sich durch eine robuste Übertragungstechnologie, eine sehr gute Gebäudedurchdringung und eine hohe Energieeffizienz aus. Ob damit die Anwendung des digitalen Assistenzsystems im Pflegebereich verbessert werden kann, soll nun im Projekt DiSPnet eruiert werden. Getestet wird dies in einem Seniorenhaus des Bayerischen Roten Kreuzes in Kronach. BRK-Kreisgeschäftsführer Roland Beierwaltes verweist auf die unmittelbaren Herausforderungen der Versorgungspraxis. Technologische Systeme oder Digitalisierungslösungen seien dann in der Praxis willkommen, wenn diese auch zielführend und lösungsorientiert aus Sicht der Pflegefachpersonen sind. Technik müsse Teil des pflegerischen Prozesses und der vorhandenen strukturellen Infrastruktur sein, so Beierwaltes.

Die Forschergruppe der KU wird den Modellversuch sozialwissenschaftlich evaluieren: Funktioniert die Datenübertragung zuverlässig? Wie lässt sich das Assistenzsystem in die Arbeitsabläufe einbinden und wie kommen die Pflegekräfte mit der Technik zurecht? Schließlich wird Zerth die ökonomische Dimension in den Blick nehmen und der Frage nachgehen, ob sich das Assistenzsystem für den Träger einer einer Pflegeeinrichtung organisatorisch und wirtschaftlich sinnvoll umsetzen lässt. „Nur wenn die Investition am Sozialmarkt refinanzierbar ist, wird sie sich durchsetzen“, so Zerth. Das Forschungsprojekt ist auf zwei Jahre angelegt, finanziell gefördert wird es vom bayerischen Wirtschaftsministerium und betreut vom Projektträger Bayern Innovativ.

Quelle
upd
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