Digitale WeltWirtschaft

Cyberattacke und Prototyp

Die Eichstätter Firma Weitner zwischen Cyberattacke und Marathonlauf einer echten Innovation

Technik und Innovation bieten oft nicht nur enorme Chancen, sondern auch Risiken. Als ein Unternehmen, das seit der Gründung vor gut einem halben Jahrhundert bis heute immer vom Mut zu technischen Innovationen gelebt und für Weltkonzerne wie Siemens an technischen Entwicklungen mitgearbeitet hat, kennt die Firma Weitner aus Eichstätt beides: Schon seit einiger Zeit arbeiten Geschäftsführer Heinz Weitner und sein Team gemeinsam mit Partnern an einer echten Innovation eines Mini-BHKWs, die das Zeug hätte, den Markt der Energieversorgung für Gebäude zu revolutionieren – davon ist Weitner fest überzeugt. Aber gerade erst hat das mittelständische Technologieunternehmen mit rund 260 Mitarbeitern auch die Schattenseiten der modernen Technik erlebt: einen Cyberangriff.

Cyberattacke und Prototyp
Etappenerfolg auf dem langen Marathonlauf zur marktreifen Innovation: Markus und Heinz Weitner und Prof. Karl Huber von der THI mit dem Prototypen am Prüfstand in Ingolstadt. Foto: Stephan Zengerle

Vernetzte Maschinen und umfassende Daten sowie Unternehmenssteuerung in Echtzeit – das hört sich vielleicht für einen Laien nicht so spektakulär an. Im Detail aber steht dahinter eine echte Revolution für alle Fertigungsbetriebe, die durch eine komplett digitalisierte Steuerung der Produktion in Zukunft noch viel schneller und flexibler agieren können und wohl auch müssen. Ohne solche digitale Vernetzung wird man in Zukunft mit den großen und innovativsten Unternehmen nicht mehr mithalten können. Viel zu tun also, wenn man da auf der Höhe der Zeit bleiben will – oder besser noch sogar die gewaltigen Chancen nutzen möchte, die sich ebenfalls hinter solchen Umbrüchen verbergen.

„Trojaner“ erfolgreich bekämpft

Dabei haben die Weitners gerade erst eine der Schattenseiten des digitalen Wandels erlebt: Das Unternehmen hatte sich einen sogenannten „Trojaner“ eingefangen – eine Erpressersoftware, im Fachjargon „Ransomware“ genannt: eine Schadsoftware, die sich unbemerkt auf den Rechnern einnistet und Unternehmensdaten verschlüsselt, um das Unternehmen zu erpressen. Solche Cyberangriffe werden eine immer größere Gefahr und gehören heute zum Alltag für alle großen Unternehmen. Während die Unternehmen solche Cyberattacken früher oft verschämt und verschwiegen möglichst unter Verschluss gehalten hat, gehen heute viele Unternehmen recht offen und transparent damit um – auch um dafür zu sensibilisieren. Denn einen perfekten Schutz gebe es trotz aller Vorkehrungsmaßnahmen ohnehin nicht, weiß Heinz Weitner. Auch man selbst sah sich eigentlich bestens geschützt, musste im Frühjahr aber gegen einen solchen Trojaner kämpfen.

Cyberattacke und Prototyp

Cyberattacke und Prototyp
Vernetzte Daten sind heute wie hier in der Entwicklungsabteilung der Firma Weitner selbstverständlich und werden nach höchsten Sicherheitsstandards geschützt. Aber 100 Prozent Sicherheit gibt es nicht – Hackerangriffe sind heute für innovativ tätige Unternehmen an der Tagesordnung. Die Firma Weitner konnte den jüngsten Angriff mit einer Erpressersoftware erfolgreich abwehren. Fotos: Stephan Zengerle/ Freepick

Eine „völlig neue und große Herausforderung, die uns über Wochen sehr stark in Beschlag genommen hat“, erzählen die Weitners. „Vor allem unsere IT-Spezialisten waren sehr gefordert und haben viel geleistet“, sagt Heinz Weitner noch immer mit Sorgenfalten auf der Stirn. Denn es ist gar nicht so einfach, solche „digitalen Parasiten“ aufzuspüren, zu separieren und komplett zu neutralisieren – und das möglichst ohne Produktion und Betrieb zu beeinträchtigen.

Das habe man einige Wochen lang live miterlebt, sagt seine Tochter Michaela Weitner, die ebenfalls Teil der Geschäftsführung und nun froh ist, dass man den Cyberangriff im konkreten Fall gut bewältigt hat – „Dank des großen Einsatzes und Know-hows unseres Teams“, wie sie betont. Nur dadurch habe man es geschafft, die Schadsoftware zu isolieren und erfolgreich zu bekämpfen, ohne dabei die eigenen Produktionsprozesse lahmzulegen oder allzu sehr zu belasten. Eine wichtige Erfahrung, da sind sich auch alle einig. Denn solche Cyberattacken gehören heute längst für die meisten Unternehmen zum Alltag – gerade jene, die im innovativen Bereich tätig sind.

Protoyp mit Potenzial

Echte technische Innovationen aber sind so eine Sache. Manchmal hat man eine besondere Idee und alles geht ganz schnell. Aber gerade, wenn es um echte Innovationen geht, tüftelt man meist über viele Monate und Jahre an Details herum und braucht dabei den Willen und das Durchhaltevermögen eines Marathonläufers – so wie das Team der Firma Weitner bei einem ganz besonderen Projekt, das dem Eichstätter Unternehmen völlig neue Chancen und einen ganz neuen Markt in der Energiewelt der Zukunft eröffnen würde. Die Rede ist vom Prototypen eines neuartigen Mini-Blockheizkraftwerks (BHKW) mit einer revolutionären Technologie, für die man sogar ein Patent hält und wegen des innovativen Ansatzes sogar bundesweite Fördergelder bekommt. Aber bei jedem technischen Marathonlauf gibt es auch Stillstand, Rückschläge und Enttäuschungen, die das Weitnerteam auch bei seinem eigenen Innovationsmarathon schon erlebt hat. Aber der Wille ist da – und die Ziellinie vielleicht schon in Sichtweite.

Das Prinzip klingt einfach: ein sich frei bewegender Kolben, der durch Zündungen hin und her bewegt wird und mit unterschiedlichsten Brennstoffen wie etwa Wasserstoff betrieben werden könnte – ein günstiges und effizientes Mini-Kraftwerk für den Keller, das Häuser mit Strom und Wärmeenergie versorgen könnte – und zwar weit verschleißfreier und ökonomischer als herkömmliche Mini-Blockheizkraftwerke, die es heute schon auf dem Markt gibt. Doch die Technik dahinter ist weit komplizierter: Mit welcher Frequenz schwingt der Motor, wie sieht es mit Vibrationen aus und wie funktioniert die Steuerung und die Sicherheit? Der Teufel steckt wie so oft im Detail.

Denn der Prototyp läuft eigentlich längst. Aber er läuft eben noch nicht ganz rund. Dennoch strahlen alle Beteiligten, als sie den Metallzylinder auf dem Teststand in der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI), einem Projektpartner, in Betrieb sehen. Sie freuen sich über die Fortschritte. Auch wenn die Softwaresteuerung noch nicht so ganz funktioniert – es sind deutliche Fortschritte erkennbar. Der neuartige Typus eines Blockheizkraftwerks würde schon durch seine geringe Größe, seine Funktionsweise und Effizienz ganze neue Einsatzmöglichkeiten eröffnen – da ist sich Heinz Weitner sicher. Das System könnte seinen Platz in der schönen neuen Energiewelt finden, erneuerbare Energien ergänzen und eine dezentrale Energieversorgung ermöglichen. Aber bis dahin ist noch ein gutes Stück Weg zu gehen. Das System läuft bereits einigermaßen stabil. Viele Messparameter stimmen. Ein wichtiges Zwischenergebnis ist erreicht.

Kurz vor dem Aus

Aber eben erst ein Zwischenergebnis. Es ist der Sommer 2018. Ein halbes Jahr später dagegen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus: Das Projekt steht kurz vor dem Aus. Trotz technischer Fortschritte stellen sich im Bereich der Softwaresteuerung die Erfolge nicht so schnell ein, wie erhofft. Personalwechsel und technische Probleme beim zweiten Partnerunternehmen haben das Projekt etwas ins Stocken geraten lassen. Und auch die Werner Weitner GmbH und ihre innovativen Köpfe haben in ihrem eigenen Kerngeschäft mehr als genug zu tun und zu entwickeln. Da ist es nicht immer einfach, an Nebenkriegsschauplätzen wie der Prototypenentwicklung Technologiesprünge zu erzielen.

Der Weg zum marktreifen Produkt ist noch sehr weit. Die Strecke von der ersten Idee und dem ersten Prototypen bis zum etablierten Produkt auf dem Markt ist wie ein Marathonlauf: Das Loslaufen fällt manchmal nicht so leicht, aber man ist motiviert, beißt sich in den Langstreckenlauf hinein – ohne allzu viel Gedanken darüber zu verschwenden, wie hart das letzte Drittel der Strecke bis zum Ziel werden könnte. Was einen trägt, ist die Hoffnung und die Erfahrung aus vorherigen Projekten, dass man die Herausforderung bewältigen kann. Man nimmt sich Zwischenziele vor, nimmt das Ende einer Steigung ins Visier. Dann stellen sich erste Erfolge ein. Man kommt oben an, erreicht Kilometermarken, liegt gut in der Zeit. Das Ziel ist noch weit weg, aber die Strecke, die man bereits zurückgelegt hat, wird immer länger.

Doch ein Marathon ist meist auch mit Rückschlägen und Schmerzen verbunden. Viele Monate tritt das Team auf der Stelle. Was aus dem Weitner-THI-BHKW werden wird, steht noch in den Sternen. Es stehen Grundsatzentscheidungen an: Wie soll es weitergehen? Man hat bereits viel Energie, Know-how und finanzielle Mittel investiert und wichtige Zwischenergebnisse erreicht. Sie sind vielversprechend, und sie lassen erahnen, dass der Prototyp für das Unternehmen einen ganz neuen Markt erschließen könnte. Doch der Innovationsmarathon stockt. Ein Projektpartner kommt mit seinem Part nicht weiter, gibt irgendwann auf – wie so viele Läufer bei jedem Marathon. Wie soll es weitergehen? Ein neuer Partner und neue Technik müssen her – und sind nach langer Suche auch gefunden.

Neue Technik und neue Hoffnung

Nach einer schöpferischen Pause und diversen Verhandlungsrunden hat der Prototyp nun wieder Fahrt aufgenommen. Der Marathonlauf geht weiter, die nächste Etappe hat begonnen – mit der Firma FBG als neuem Technologiepartner, der seine eigene, ebenfalls patentierte Technik einbringt. Und mit Fördergeldern vom Wirtschaftsministerium. Die Firma Weitner musste sich dafür einem intensiven Testverfahren unterziehen und den Prototypen im Forschungszentrum in Jülich vor einem Expertenteam präsentieren. Die Förderung ist auch ein deutliches Signal für die Chancen, die die Technologie bietet: Das Miniatur-Kraftwerk könnte etwa Einfamilienhäuser mit drei bis vier Kilowatt Strom und Wärmeenergie versorgen. Und das kostengünstiger und mit signifikant höheren Wirkungsgraden als bisherige Systeme – so die Hoffnung.

Cyberattacke und Prototyp
Nie das Ziel aus den Augen verlieren, aber auch ein Auge für wichtige Details braucht, wer eine technische Innovation zur Marktreife entwickeln will. Foto: Zengerle

Das Projekt nimmt wieder Fahrt auf – der Freikolbenmotor des BHKW-Prototypen bewegt sich wieder. Und schon ist die Hoffnung zurück, der Ehrgeiz neu geweckt. Wenn Heinz Weitner über sein „Baby“ spricht, dann leuchten ohnehin die Augen. Denn in dem glänzenden Metallzylinder und dem Kolbensystem steckt viel Weitner-Know-how. Er würde nichts lieber tun, als daran weiterzuentwickeln, als den Prototypen zur Marktreife zu bringen. Das aber ist noch ferne Zukunft. Wer etwas kreieren möchte, das noch niemand zuvor erschaffen hat, der muss erst einmal investieren: viel Zeit, viel Kreativität und Know-how und auch viel Geld – und das ohne die Sicherheit, ob sich das jemals lohnen wird.

Das Problem am Prototypenbau aber ist ein anderes: Man weiß nie genau, ob man auch in die richtige Richtung läuft. Jederzeit können sich neue Probleme ergeben, die erst gelöst werden müssen – oft ein gewaltiger Umweg auf der langen Strecke bis zum Ziel. Bei Terrain, das man kennt und schon oft bewältigt hat, kennt man die Strecke, weiß, wie man sie bewältigt. Bei einer unbekannten Strecke aber warten auf dem Weg viele unerwartete Hürden und Steigungen sowie viele Überraschungen. Auch das Ziel ist nicht so ganz klar: Es geht natürlich um ein marktreifes Produkt, von dem man beim Blick auf dem Prüfstand in der Technischen Hochschule Ingolstadt schon eine recht gute Vorstellung hat. „Aber Forschung ist Forschung, und du kannst vorher nie genau vorhersehen, wie es tatsächlich funktionieren wird“, sagt Heinz Weitner.

Freikolbenmotor mit zwei Brennkammern

Bei einem Freikolbenmotor bewegt sich der Kolben nicht automatisch wie bei einem Verbrennungsmotor im Auto durch die Kurbelwellenbewegung hin und her. Er muss erst einmal in Bewegung gesetzt und genau gesteuert werden. Und das ist die Herausforderung. Mechanik, Strom, Magnetfeld und Elektronik müssen im Einklang funktionieren. Der Kolben wird durch einen Lineargenerator in Gang gesetzt, bis der erste Verbrennungsvorgang einsetzt, und wirkt anschließend als Generator, der dann Strom erzeugt. Das Besondere: Im Gegensatz zu anderen Systemen mit Freikolbenmotor mit einer Brennkammer und Gasdruckfeder sind es beim Weitner’schen System zwei Brennkammern, die den Kolben von beiden Seiten im Wechsel beschleunigen. Das ist effizient und weitgehend verschleißfrei, muss aber auch fein abgestimmt sein. Kommt es zu einer Fehlzündung, muss der Lineargenerator den Kolben wieder „einfangen“.

Aber ob das Endprodukt auch tatsächlich genau so aussieht und vor allem wie die Feinheiten, insbesondere die digitalen Details, die intelligente Softwaresteuerung, funktionieren werden, das muss sich noch zeigen. Und auch hier braucht es wieder einen langen Marathonlauf aus vielen Tests. Aber wenn das System einmal weitgehend reibungslos und stabil laufen würde, wäre das schon so etwas wie die Zielgerade des Marathonlaufs. Die Hoffnung ist da, Ausdauer und Durchhaltevermögen ebenfalls. „Wir sind Maschinenbauer, und als solcher nervt es mich, wenn eine Technik, die wir gemeinsam mit unseren Partnern gebaut haben, noch nicht perfekt läuft. Ich will eines Tages guten Gewissens sagen können: Das Ding läuft absolut rund, und es ist gut zu handeln“, betont Heinz Weitner. Er weiß: Der Weg ist noch anstrengend und weit. Aber wie jeder Marathonläufer denkt er auch an den Moment, wenn es geschafft ist, wenn man die Ziellinie überschritten hat.

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