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„Denkmal für die Ewigkeit“ braucht Hilfe

Das Eichstätter Figurenfeld soll vor drohendem Verfall bewahrt werden

Irgendwie passt der einsetzende Verfall zum Thema: Der Stahlstift ragt wie ein ungewöhnlich gerader Knochen aus dem stilisierten Ellbogen der abstrakten Figur, die sich inmitten der idyllisch-friedlichen frühsommerlichen Umgebung scheinbar schmerzverzerrt über dem Eichstätter Figurenfeld erhebt. Das Mahnmal, dem der Künstler und Wahleichstätter Alois Wünsche-Mitterecker einen großen Teil seines Lebens widmete, ist bedroht. Einige der Figuren wären dringend sanierungsbedürftig. Und so bemühen sich die Mitglieder des Kuratoriums für das Mahnmal in Eichstätt darum, es zu erhalten und weiter zugänglich und nutzbar zu machen – damit das Figurenfeld bleibt, was es nach dem Willen seines Schöpfers sein sollte: ein Mahnmal für die Ewigkeit.

„Denkmal für die Ewigkeit“ braucht Hilfe
Idyllisch gelegenes Mahnmal: das Figurenfeld von Alois Wünsche-Mitterecker. Errichtet wurde es vom Künstler in Schwerstarbeit auf der Eichstätter Willibaldsburg (Fotos unten). Fotos: Zengerle/Repro Bittl

Schon die Arbeiten auf den historischen Befestigungsanlagen auf der Willibaldsburg erinnern auf den Schwarz-weiß-Fotos ein wenig an Schlachtfelder, mit verzerrten Körpern allenthalben. Mittendrin: ihr Schöpfer, der Künstler Alois Wünsche-Mitterecker. Die bis zu gut sechs Tonnen schweren Kolosse aus einer Gussmasse von Portlandzement, Granit und Basaltkörnern, die mit verzinktem Stahl armiert sind, konnten nur mit massiven Ketten und schwerem Gerät bewegt werden – eine enorme Anstrengung, die auch zeigt, mit welcher Hingabe und Berufung der Künstler an sein gewaltiges Werk gegangen sein muss.

So massiv muss der innere Schrecken im Seelenleben des 1903 bei Graz geborenen Künstlers gewesen sein. So unvergesslich und schrecklich die Bilder in seinem Kopf, die er nie vergessen konnte. Als Pressezeichner hatte er sie zuvor im Zweiten Weltkrieg künstlerisch festgehalten – heroisch sollten die Darstellungen der Soldaten in jener Zeit des Nationalsozialismus wohl sein. Was er aber im Krieg erlebte, war so enorm schrecklich und verstörend, wie er es später in jener gewaltigen, tonnenschweren Mahnmal ausdrückte: Sieger und Besiegte, Freund und Feind verschmelzen darin zu einem Gesamtbild des Leides, das weder Sieger noch Besiegte kennt.

Es ist ein monumentales Denkmal, das vor der Sinnlosigkeit von Krieg und Gewalt mahnt – und nun selbst gefährdet ist. 2020 habe man bereits an den drei gewaltigen Stelen im Zentrum oben einen Regenschutz aus Kupfer anbringen lassen, um sie vor Verwitterung zu schützen, sagt Hans Bittl, seit 2012 Vorsitzender des Vereins Kuratorium für das Mahnmal in Eichstätt, das sich um Erhalt und Pflege des Skulpturenfeldes und des 20 Hektar großen Areals kümmert. Aber Untersuchungen in Verbindung mit Experten des Landesamtes für Denkmalschutz haben ergeben, dass in den nächsten Jahren noch allerhand mehr getan werden muss, um das Mahnmal zu erhalten und es auch weiter offen und zugänglich sowie gleichzeitig sicher zu halten. Denn an immer mehr Figuren bröckelt die inzwischen in die Jahre gekommene steinerne Masse ab. An einigen Stellen ragt bereits die Stahlarmierung aus der bereits stark abgebröckelten steinernen Masse.

81 Figuren, fünf Figuren akut sanierungsbedürftig

Fünf der gewaltigen Figuren seien akut sanierungsbedürftig, sagt Bittl. Einen Teil des Geländes habe man für Naturschutzzwecke verkauft und kann davon die wichtigsten laufenden Kosten decken, hat aber sonst keine Einnahmen. Die sechsstellige Summe, mit der man mittelfristig zum Erhalt des seit 2001 in der Denkmalliste eingetragenen Mahnmals rechnen müsse, könne man neben Zuschüssen von Landesamt, Landkreis und Stadt also nur durch private Spenden stemmen. Darauf hofft er nun auch.

Einsatz für das Figurenfeld: Hans Bittl und die ihm ans Herz gewachsenen Figuren, die langsam Opfer der Verwitterung werden. Foto: Stephan Zengerle

Kleinere Beträge gehen auch regelmäßig in einer Spendentonne von einem Blumenfeld ein, die Bittl organisiert hat. Derzeit steht sie noch ein wenig sperrig im Gesamtkunstwerk des Figurenfelds, solle aber noch dezenter platziert werden, um das Gesamtbild des Figurenfelds nicht zu beeinträchtigen, wie Bittl sagt. Ein paar Hundert Euro seien schon zusammengekommen – offenbar liegt das Figurenfeld den Besuchern durchaus am Herzen. Vom Parkplatz oberhalb von Eichstätt, neben dem Besucherparkplatz an der Straße zwischen Eichstätt und Landershofen einer der beiden Zugänge zu dem Mahnmal, hat man nun auch den ursprünglich vom Künstler vorgesehenen Zugang vom Parkplatz wieder freigeschnitten – und dabei auch zwei weitere Figuren freigelegt, die zuvor überwachsen waren. Statt der 78 Figuren, die immer wieder als offizielle Zahl angegeben wurden, zähle man inzwischen 81 Skulpturen auf und um das Figurenfeld, weiß Bittl.

Er freut sich, wenn der schöne Ort sich mit Leben füllt und Menschen inspiriert. 2008 hatte sich eine große Ausstellung des Domschatz- und Diözesanmuseums Eichstätt mit dem Künstler und seinem Werk beschäftigt und einen Ausstellungskatalog herausgebracht. Und zuletzt hatte sich auch die Fotoschau „Stalingrad im Altmühltal“ mit Bildern des Fotografen Franz Besendörfer damit beschäftigt, und auch der eine oder andere Videoclip ist hier bereits gedreht worden – ganz zu schweigen von den unzähligen Selfies, die hier dauernd geschossen werden und ihren Weg in die sozialen Medien finden.

Das Interesse sehe man auch an den Besucherzahlen aus allen Altersgruppen, die gerade in Pandemiezeiten wohl noch einmal zugenommen hätten, freut sich Bittl und blickt auf eine seiner Lieblingsstatuen – eine der deutlich menschlicheren der anthropomorphen Skulpturen, die gebeugt mit leerem Blick auf ihn herabzublicken scheint. Gleich nebenan sieht man eine der Figuren mit deutlich erkennbaren Spuren der offensichtlich nicht ganz leichten Rekonstruktion der beschädigten Figuren: Es sei offenbar auch für die Experten des Landesamtes nicht so einfach, jene besondere Mischung des Künstlers nachzuempfinden, von denen viele nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert überdauert haben.

Noch vor der Einweihung mit Vorschlaghammer beschädigt

1955 reiften bei Alois Wünsche-Mitterecker erste Pläne für das Friedensmahnmal. Ab 1958 begann der Künstler, der sonst etwa Fresken und Wandbilder malte und 1936 den Albrecht-Dürer-Preis erhalten hatte, mit der Arbeit an den Figuren. Ab 1961 widmete er sich fast ausschließlich seinem Friedensmonument, an dem er bis zu seinem Tod 1975 weiterarbeitete. Ein weiterer Teil der Figuren wurde erst 1976 bis 1978 nach seinen Plänen aufgestellt. Finanziert wurde das ganze Projekt durch Gelder aus Stiftungen von Freunden des Künstlers. Am 6. Oktober 1979 wurde das Mahnmal dann offiziell eingeweiht – allerdings schon in der Nacht zuvor bereits zum ersten Mal beschädigt.

„Denkmal für die Ewigkeit“ braucht Hilfe

Ästhetik hat ihre ganz eigene Sprache und gute Kunst auch immer eine – manchmal subtile – Botschaft. Beim Eichstätter Figurenfeld ist die Botschaft dagegen eher brachial. Manch einer fühlte sich damals erschlagen von so viel stilisierter Grausamkeit aus einer ganz speziellen Mischung an Stahlbeton. Und nicht jeder sieht darin Kunst oder ästhetische Schönheit auch im Schrecklichen. Und so versuchten Unbekannte, in der Nacht vor der offiziellen Eröffnung des Mahnmals, es mit einem Vorschlaghammer zu verunstalten und zu zerstören – mit mäßigem Erfolg. Denn davon ließ man sich von offizieller Seite nicht beirren. Der damalige Eichstätter Landrat Konrad Regler habe als schlauer politischer Taktiker geraten, das Ganze einfach zu ignorieren. Dann werde es schon niemandem auffallen, erzählt Bittl lachend. Die Figuren hatten sich ohnehin als recht widerstandsfähig erwiesen: der Vorschlaghammer hatte nicht allzu viel Schaden angerichtet. Das Figurenfeld wurde also wie geplant der Öffentlichkeit übergeben und soll heute, mehr als 60 Jahre, nachdem Wünsche-Mitterecker mit der Herstellung der ersten Figuren begann, „zukunftssicher“ gemacht werden.

Paradoxerweise ist das Gesamtkunstwerk für ein Mahnmal mit seiner so schreienden Botschaft fast ein wenig still und „versteckt“ – abseits der Straßen und Plätze und viel frequentierten Wege. Aber vielleicht ist es ja auch das, was das Figurenfeld gerade in Coronazeiten zum viel besuchten Nahausflugsziel macht: Der Kontrast zwischen der idyllischen, intakten Landschaft in dem weich geschwungenen Tal und stiller Natur und den zerrissenen, gigantischen Figuren, die gerade hier so völlig fehl am Platz wirken. Es zeigt zwar den Krieg, aber es steht für den Frieden. Es symbolisiert Schmerz, Tod und Leid, aber wer hier Zeit verbringt, findet nach einer Weile eine Idylle. Das Symbol für Krieg, Gewalt, Grausamkeit, so muss es ihr Schöpfer gesehen haben, wirkt vor allem durch eben diesen Kontrast in intakter Natur und gerade in seiner liebenswert verträumten Wahlheimat Eichstätt und dem Altmühltal.

Ausflugstipp:
„Traumschlaufe“ mit Figurenfeld

„Denkmal für die Ewigkeit“ braucht Hilfe

Wer das Figurenfeld besuchen und das mit einer schönen Wanderung verbinden möchte, kann das auf der„Traumschlaufe Eichstätt“ tun – so hat der Naturpark Altmühltal den Rundwanderweg getauft, der am Parkplatz neben der Straße zwischen Eichstätt und Landershofen beginnt und durch das Hessental und dann zum Figurenfeld führt. Anschließend gelangt man über einer kleine Kapelle unter einer Linde nahe des Häringhofs nach rechts über den Ziegelhof, dort wieder rechts und schließlich durch Wald und Feld am „Schwarzen Kreuz“ vorbei auf dem Wallfahrerweg, einem der ältesten Kreuzwege Bayerns, nach Buchenhüll.

Bei der „Lourdes-Grotte“ geht es weiter zur Herz-Jesu-Grotte“ und dort rechts am Waldrand entlang und schließlich talwärts zur Pfünzer Holzlege. Von dort führt der Weg auf dem Altmühltal-Panoramaweg inklusive schönem Blick auf das römische Kastell oberhalb von Pfünz entlang der Wacholderheide im Naturschutzgebiet Altmühlleiten Richtung Landershofen. Oberhalb der Siedlung biegt man dann vom Panoramaweg ab Richtung Waldkindergarten und weiter durch die Ortschaft bis zum Dorfweg am Haselberg, dann rechts in die Hermannsleite und schließlich über den Bolzplatz auf den Hügel und direkt zurück zum Wanderparkplatz. (Quelle: Naturpark Altmühltal)

Kurz-Info:
Rundwanderweg; Gehzeit ca.: 3,5 Stunden; Mit Kinderwagen nicht befahrbar, nicht barrierefrei

Mehr Infos zur Tour…
…gibt es im Informationszentrum Naturpark Altmühltal, Notre Dame 1, 85072 Eichstätt, Tel.: 08421 9876-0 sowie auf der Internetseite des Naturparks: https://www.naturpark-altmuehltal.de/routen/traumschlaufe_eichstaett-44/

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