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So ein Rindviech!

Auerochsenartige Heckrinder und ein neues Beweidungsprojekt bei Buxheim

So ein Rindviech! Ja, so ein Exemplar hat man in der Tat selten gesehen auf hiesigen Weiden. Ganz neu sind die prächtigen, üppig behörnten und auerochsenartigen sogenannten „Heckrinder“ auch im Landkreis Eichstätt nicht mehr. In den Wellheimer Niedermoorflächen und bei Leising gibt es schon länger einige der Tiere, die den historischen Auerochsen nachgezüchtet sind. Dennoch ist auch das neue Beweidungsprojekt mit eben solchen Heckrindern auf einem 22 Hektar großen Areal bei Buxheim in vielerlei Hinsicht etwas Neues.

So ein Rindviech!
Glückliche Kühe: Die vier Heckrinder und ihr Kalb grasen zufrieden. Im Juli kommt dann auch der Stier. Fotos: Zengerle

Das Rindviech schaut ganz glücklich aus – ob trotz oder wegen des Fliegenschwarms auf seiner Schnauze ist nicht erkennbar. Es schüttelt sich. Da geben die Fliegen dann doch kurzzeitig auf. Es war wohl doch die üppig mit hochgewachsenem Gras bewachsene Weide, die die immer noch seltenen Tiere glücklich macht. Landwirt Josef Grienberger blickt stolz hinüber auf seine neue, kleine Herde mit vier Kühen und einem Kalb. Jetzt, wo die Presse und die Offiziellen weg sind, sind die Tiere wieder zurück auf dieser Seite der großen Weide. Vorher waren sie im hohen Gras meist kaum zu sehen.

„Ab Juli kommt der Stier“

„Ab Juli kommt der Stier“, verrät Grienberger. Dann wird es auch für den erfahrenen Rinderzüchter noch einmal spannend. Bei der Aufzucht einer neuen Herde muss vieles beachtet werden. In drei bis vier Jahren soll hier dann schon eine kleine Herde mit rund 20 Tieren grasen. Grienberger und seine Familie vom Pfahlhof in Buxheim haben viel Erfahrung mit der Zucht verschiedenster Rinderrassen von Angus bis zum Fleckvieh. Doch ein Auerochse war bisher noch nicht dabei. Nun sind die Heckrinder zwar keine echten Vertreter der ausgestorbenen, massigen Auerochsen, aber immerhin Züchtungen, die in eine ganz ähnliche Richtung gehen – und erst behutsam wieder als neue Herde hier aufgebaut werden müssen. Derzeit grasen eben jene vier Kühe und ein Kalb auf der idyllisch gelegenen Weide mit den für das Schuttertal typischen nass-schwarzen Moorböden.

Die Moorböden sind es auch, die eine weitere besondere Komponente des Projekts ausmachen: „Der Boden ist hier so schwarz wegen dem Kohlenstoff im Boden, der hier durch das Wasser im Boden gehalten wird“, erklärt Norbert Krappmann, Fachkraft beim Landschaftspflegeverband Landkreis Eichstätt (LPV). Die CO2-Speicherung im Boden aber sei nicht nur für das globale Klima wichtig, sondern wirke sich auch positiv und ausgleichend auf das Mikroklima in der Umgebung aus. Der Moorboden und die Beweidung ergänzten sich ideal, so Krappmann. Denn der Bewuchs sorge auch dafür, dass der Boden sich nicht so schnell erhitze und das Wasser verdunste – ein stabilisierender Faktor also in Zeiten der vielen trockenen Sommer wie in den letzten Jahren.

Brachvogel weg, Feldlerche noch da

So könne auch dieser Teil des Schuttermoors noch mehr als bisher schon zu einem Hotspot der Biodiversität werden. Im Hintergrund quaken Kröten, die Vögel zwitschern – man glaubt es sofort. Man habe für die Eichstätter Seite den Artenreichtum des Areals vorab untersucht und erhoffe sich positive Effekte, sagt Nina Wettengel vom LPV, die es sich nicht nehmen ließ in der Elternzeit zu kommen – ein Zeichen, dass hier viel Herzblut ihres ganzen Teams um Christina Geith mit dabei sei, wie auch Tanja Schorer-Dremel, die sich nicht nur als Landtagsabgeordnete (CSU), sondern vor allem auch als LPV-Vorsitzende anwesend und sehr stolz auf das Projekt zeigte.

„Moorschutz geht nur gemeinsam“: Beim offiziellen Start für das Beweidungsprojekt waren – unter anderem – dabei (von links): Landwirt Josef Grienberger und seine Familie, Buxheims Bürgermeister Benedikt Bauer, der Eichstätter Landrat Alexander Anetsberger, Landtagsabgeordnete und LPV-Vorsitzende Tanja Schorer-Dremel sowie LPV-Geschäftsführerin Christina Geith und ihr Team sowie Ingolstadts Dritte Bürgermeisterin Petra Kleine.

„Es gibt hier tatsächlich großen Artenreichtum“, bestätigt auch Monika Weber vom Umweltamt Ingolstadt, die das Projekt von Ingolstädter Seite betreut. Denn auch das ist durchaus eine Besonderheit: dass hier Großstadt und Landkreis gemeinsam ein solches Projekt durchführen – „in einem der nicht unwichtigsten Bereiche“, wie es ein gut aufgelegter Landrat Alex Anetsberger (CSU) in seinem Grußwort sagte: „Erfolgreicher Moorschutz geht am Ende nur gemeinsam“, betonte er. In der Tat: Die nassen Böden, die über lange Zeiträume ihre ganz besonderen Charakteristiken entwickeln, erstrecken sich oft über weite Areale – so wie hier eben auch in den sanften Tallagen entlang der Schutter. „Es wäre wünschenswert, noch weit mehr dieser Flächen zu kaufen und zu schützen“, findet Weber. Denn bei ihren Untersuchungen hat sie ebenso wie das LPV-Team festgestellt, dass zuvor eben nicht mehr alles so optimal gewesen sei: „Der Brachvogel ist schon verschwunden“, so Krappmann. Die Feldlerche dagegen sei noch da. Gerade für solche Wiesenbrüter sei solche extensive, ursprünglichere Landwirtschaft besonders wichtig, so Weber. Aber auch Libellen, Schmetterlinge und andere zum Teil seltene Arten fänden in den Moorbödenarealen ideale Bedingungen, freute sich auch Uwe Sachser, der beim Landratsamt Eichstätt für Naturschutzfragen zuständig ist.

Extensive Landwirtschaft und ein Naturerlebnispfad

Die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land und über Parteigrenzen hinweg betonte auch Petra Kleine (Grüne) als Ingolstadts Dritte Bürgermeisterin – und verriet bei der Gelegenheit, dass auch Bayerns jüngste Großstadt einen solchen Landschaftspflegeverband gründen wolle. Die Gegend sei wunderschön und sie sei sehr gerne gekommen, versichert sie – auch wenn sie sich auf dem Hinweg zwischen dem von Pfützen überschwemmten Weg und dem Elektrozaun der Weide mit leichtem Schuhwerk ein wenig gefühlt habe wie mit dem Föhn in der Hand in der Badewanne, wie sie lachend verriet. Das Beweidungsprojekt zeige auch, welcher Aufwand hinter solch extensiver Landwirtschaft stehe – dessen müsse man sich auch in der Bevölkerung noch mehr bewusst sein.

So ein Rindviech!
Besondere Rasse: Heckrinder sind dem Auerochsen nicht ganz unähnliche Nachzüchtungen.

Dazu solle in Zukunft auch ein Naturerlebnispfad in dem Areal zwischen den Buxheimer Weihern, dem Auwald und dem renaturierten Schutterflutkanal beitragen, wie der Buxheimer Bürgermeister Benedikt Bauer verriet. Dass mit Josef Grienberger auch noch ein örtlicher Landwirt die Beweidung übernehmen werde, habe ihn natürlich umso mehr gefreut. Aber: „Ich bin vom Land. Ich weiß wie viel Arbeit, das bedeutet“, scherzte Landrat Anetsberger.

Auf der Eichstätter Seite ist das Beweidungsprojekt Teil des Ersatzgeldprojekts „Moor, Weiden, Wiesen und Gräben im Schuttermoos“ bei dem auf einer Fläche von über 600 Hektar gemeinsam mit den Grundeigentümern und den bewirtschaftenden Landwirten die wertvollen Biotope und Moorböden im Schuttermoos gesichert und naturschutzfachlich aufgewertet werden sollen. Auf Ingolstädter Seite handelt es sich bei den Flächen des Beweidungsprojekts um Ausgleichsflächen.

Landwirtschaft im Wandel: Die Delegation zu Besuch auf dem Pfahlhof in Buxheim.

Am Ende konnte sich die große Delegation, davon überzeugen, dass nicht nur hier auf der Weide, sondern auch auf dem Pfahlhof selbst die 65 Rinder und die Strohschweine viel Platz und Auslauf haben. Im offenen Hofladen kann man sich jederzeit die Produkte mitnehmen und das Geld dalassen. Die Landwirtschaft muss sich wohl ein Stück weit ändern, und sie ist längst dabei – auch das wurde auf dem Termin klar. Die Heckrinder, die schon seit dem 12. April hier auf der Weide grasen, jedenfalls scheinen sich hier – wenn ein solch artenübergreifender Vergleich hier angebracht ist – pudelwohl zu fühlen. Kein Wunder: Sind ja auch prächtige Rindviecher. Vielleicht überlegt sich’s ja auch der Brachvogel noch einmalö anders.

Die Reste des naturschutzfachlichen Juwels „Schuttermoos“…

…ziehen sich von der Schutterquelle bei Wellheim bis vor das Stadtgebiet der Stadt Ingolstadt. Der Bereich ist nicht nur ein Hotspot für den Klimaschutz (denn intakte Moore speichern große Mengen an Kohlenstoff), sondern bietet auch zahlreichen (vom Aussterben) bedrohten Arten einen letzten Rückzugsraum. Dazu gehören zum Beispiel Wiesenbrüter wie der Kiebitz oder die Bekassine, aber auch Insekten wie die Libellenart der Vogel-Azurjungfer. Auch seltene heimische Pflanzen sind auf die feuchten und nassen Wiesen im Schuttermoos angewiesen. Dazu zählen die wunderschönen heimischen Orchideen, wie das Fleischfarbene Knabenkraut oder die Sumpf-Stendelwurz.

Aber das Paradies, das vielen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum bietet und unser Klima schützt, ist bedroht: die Lebensräume reagieren empfindlich auf den Eintrag von Nährstoffen oder Pflanzenschutzmitteln aus der umliegenden Landschaft und die häufig durchgeführten Entwässerungs- maßnahmen fördern den Abbau der Moorböden, wodurch große Mengen an klimaschädlichen Gasen freigesetzt werden.

Aus diesem Grund sollen im Projekt Flächen angekauft, gepachtet oder aber auch auf rein freiwilliger Basis durch die Eigentümer und Bewirtschafter gegen Entschädigung oder Förderung über bestehende staatliche Förderprogramme zukünftig gezielt moorfreundlich bewirtschaftet werden.

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