Das Ehrenamt gehört zum Dorfleben dazu. So weit, so gewöhnlich. Eher ungewöhnlich ist aber, dass aus einer ehrenamtlichen Initiative heraus ein Dorfladen gegründet wird, der das komplette Sortiment für den täglichen Bedarf und darüber hinaus ein Café mit Bücherecke als Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft bietet. Doch oft bleibt keine andere Alternative. Denn Dorfläden mit einem Angebot an Dingen für den täglichen Bedarf sind heute längst nicht mehr selbstverständlich. Doch es gibt auch den Trend zur Eigeninitiative – wie in Lippertshofen oder Eberswang.
Die Eichstätter Landtagsabgeordnete Eva Gottstein (FW) wollte der Frage nachgehen, welche Bedeutung Dorf- und Hofläden für die Region haben, und fand im 1600-Einwohner-Ort Lippertshofen im Markt Gaimersheim ein Paradebeispiel dafür, wie durch Eigeninitiative ein solcher Dorfladen entstehen kann: Engagierte Bürger hoben 2010 die Genossenschaft „Dorfladen Lippertshofen eG“ aus der Taufe. Derzeit besteht die Genossenschaft aus rund 250 Mitgliedern, die zusammen etwa 260 Geschäftsanteile besitzen – weitere Aufnahmen sind jederzeit möglich.
Genossenschaftsmodell auch im Unverpackt-Laden in Eichstätt
Ähnliche Konzepte gibt es auch anderswo wie beim Eichstätter Unverpackt-Laden “Einfach so!”, der am 7. Oktober 2019 ebenfalls als Genossenschaft gegründet wurde und im April 2020 trotz Corona eröffnet wurde. Auch hier ist man sehr zufrieden mit der Entwicklung – trotz der Pandemie sei der Laden sehr gut angenommen worden, so die Bilanz von Martina Schmidt – kein Wunder: Plastikfreies Einkaufen mit gutem Gewissen und ohne dem Gewinnmaximierungsdenken großes Konzerne im Hintergrund – das wünschen sich viele Menschen. Auch die Eichstätter Genossenschaft ist daher inzwischen auf 186 Mitglieder angewachsen und steht weiteren offen: für 200 Euro je Anteil kann man ebenfalls Genossenschaftsmitglied werden. Hier spüre man inzwischen auch, dass sich mit der Rückkehr der Studierenden nach der Pandemiepause auch vermehrt junge Leute für die Produkte aus dem Unverpackt-Laden interessieren, so Martina Schmidt.
Während es in Eichstätt aber trotz der immer wieder beklagten Probleme für die Innenstädte auch neben den großen Supermärkten sowie Bäckern oder Metzgern auch genügend alternative Einkaufsmöglichkeiten und auch mehrere spezialisierte Läden wie Feinkost Kelz, den Dritte-Welt-Laden oder Bioläden gibt, die dem Trend zu hochwertigeren, fairen, regionalen Lebensmitteln und bewussterer Ernährung folgen, die man zudem auch auf dem Eichstätter Wochenmarkt wiederfindet, ist das in vielen Orten heute längst nicht mehr selbstverständlich – auch weit größeren als Lippertshofen.
Hier aber hat man die Sache selbst in die Hand genommen. Im Hintergrund kümmern sich drei junge Frauen im Vorstand auf komplett ehrenamtlicher Basis um Abrechnungen, Personalangelegenheiten, Werbeaktionen und vieles mehr. Eine davon ist Michaela Bauer, die sich 2018 als Vorstand zur Verfügung gestellt hatte, weil dem Laden ansonsten die Schließung gedroht hätte. „Ich habe den Dorfladen vorher als so selbstverständlich wahrgenommen. Als ich selbst Mutter wurde, habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, wenn man nicht immer ins Auto muss.“ Sie brauche bei wechselndem Arbeitsanfall viel Zeit für dieses Ehrenamt. Aber: „Ich hänge richtig an dem Laden, wenn man sieht, wie er wächst und was man erreichen kann.“
Regionale Produkte im Fokus
Eine große Herausforderung sei immer wieder die Personalfindung, die auch in den Verantwortungsbereich der ehrenamtlichen Vorstände fällt. Bauer ergänzt: „Der Aufsichtsrat unterstützt uns, beispielsweise bei der Inventur. Mit jeder zusätzlichen helfenden Hand geht’s halt einfach schneller.“ Geschäftsführerin Birgit Haag, seit 2015 im Laden beschäftigt, weist auf einen großen Vorteil des Dorfladens hin: „Wir haben viele regionale Sachen, die man im Supermarkt nicht bekommt.“ Zwar koste manches vielleicht etwas mehr als im Discounter, aber dafür habe man eine kurze Anfahrt oder könne die Einkäufe sogar zu Fuß erledigen, so Haag. Ihr sei die Zusammenarbeit mit Lieferanten wie Metzger oder Bäcker aus der Region sehr wichtig.
Eine zukunftsträchtige Alternative für die Nahversorgung im Dorf könnte auch ein Eichstätter Start-up bieten: „Greenbox“ hat ein voll digitalisiertes Konzept entwickelt, mit dem man nicht nur, aber vor allem auch heimische Produkte vollautomatisch anbieten kann – Hier geht es zum Beitrag:
Neun Arbeitsplätze entstanden
Immerhin neun Arbeitsplätze bietet der Dorfladen, ausschließlich Frauen arbeiten hier überwiegend in Teilzeit. Grundidee der Genossenschaft war, ein gemeinsames Verantwortungsgefühl zu schaffen und den Anteilseignern auch Gelegenheit zur Mitarbeit zu geben. „Aufgaben wie Regale säubern oder das Mindesthaltbarkeitsdatum kontrollieren werden momentan zum Teil auf ehrenamtlicher Basis erledigt“, erklärt die Geschäftsführerin, die dankbar für diese Unterstützung ist, aber einen generellen Rückgang des Ehrenamtes wahrnimmt.
Eva Gottstein, die als Ehrenamtsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung ein besonderes Augenmerk auf bürgerschaftliches Engagement legt, kann bestätigen, dass längerfristige ehrenamtliche Bindung abnehme, aber mehr Menschen zu kurzfristigem, projektmäßigem Einsatz bereit seien. Die Abgeordnete, die schon bei der Eröffnung des Dorfladens vor elf Jahren mit dabei war, beglückwünschte Haag zu ihrem Engagement und dem ihrer Mitarbeiterinnen, das in dem gut sortierten und liebevoll eingerichteten Laden sichtbar wird: „Der Dorfladen hat mich schon damals begeistert. Es ist schön zu sehen, wie er sich entwickelt hat. So etwas sollte eigentlich jeder Ort haben.“
Eberswang: Aus Hofladen wird „Treffpunkt für regionale Lebensmittel“
Ein gänzlich anderes Konzept durfte Eva Gottstein bei ihrem Besuch im Hofladen 6a in Eberswang(Markt Dollnstein) kennenlernen: Aus der ursprünglichen Idee, das Fleisch der eigenen Galloway-Rinder selbst zu vermarkten, ließ Familie Böswald einen „Treffpunkt für regionale Lebensmittel“ erwachsen, bei dem im Hofladen und im rund um die Uhr zugänglichen „Verkaufsheisl“ saisonale, regionale, selbstgemachte und frische Produkte, kleine Geschenke und vieles mehr erhältlich sind. „Die Nachfrage nach regionalen Produkten ist groß, aber nicht jeder Landwirt hat einen Hofladen“, erläutert Anja Böswald ihr Konzept. „Nur gemeinsam können wir etwas bewegen, daher haben wir Kooperationen mit anderen Landwirten und verkaufen auch deren Produkte“.
Für die dreifache Mutter ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr wichtig, daher wollte sie gerne „am eigenen Hof was machen“ und baute den ehemaligen Kuhstall zum Hofladen um, der Anfang März 2020 eröffnet wurde. Die 37-jährige wurde kurz darauf aber nicht nur von der Corona-Pandemie, sondern auch von Brandschutzauflagen ausgebremst, die ihr die Nutzung eines für Frühstücksangebote und Feiern vorgesehenen Raumes unmöglich machten. Daran knabbert sie noch heute, auch wenn sie sehr zufrieden damit ist, wie die Angebote des Hofladens angenommen werden. Wie viel Herzblut Anja Böswald in ihren Laden steckt, konnte Gottstein in den mit vielen liebevollen Details ausgestatteten Verkaufsräumen sehen.
„Semmeltüte“, „Mittwochsabo“ und keine Genehmigung für Weideschuss
Böswald kennt ihre Kunden, die aus Eberswang, aber auch aus den umliegenden Dörfern kommen: Sie weiß, wer welche Semmeln in der eigens zusammengestellten Semmeltüte bevorzugt oder welche Gemüsesorten sie im Saisonkistl, das man sich als „Mittwochsabo“ bestellen kann, weglassen darf. Neben der regionalen Vermarktung ist die Nachhaltigkeit ein wichtiges Element der Geschäftsidee,das zeigt sich im Hofladen 6a auch daran, dass beispielsweise die Obstkistchen aus alten Lattenrosten recycelt werden oder Knäufe von Urgroßmutters Küchenschrank als Griffe schicker Glasgefäße neue Verwendung finden.
Gerne würde Anja Böswald wieder Fleischpakete ihrer Galloway-Rinder, die bei Eberswang auf einer großen Weide im Freien leben, anbieten, da die Warteliste immer länger wird. „Aber momentan gibt mir das Landratsamt keine Genehmigung für einen Weideschuss, da eine neue Gesetzgebung kommen soll.“ Gottstein versprach, sich zu informieren, wie dies bayernweit gehandhabt wird – und nutzte die Gelegenheit zu einem regionalen, nachhaltigen Einkauf. ej