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Journalismus auf Instagram: Brücke zur jungen Zielgruppe

KU-Forscher präsentieren Buch über journalistische Nutzung des sozialen Mediums

Eichstätt. – Instagram ist eher für Marketing und „persönliche Propaganda“ bekannt – aber für den Journalismus auch so etwas wie eine Brücke zur jungen Zielgruppe. Jeder Vierte nutzt mindestens einmal pro Woche Instagram – bei den unter 30-Jährigen sind es sogar mehr als 80 Prozent. Kein Wunder, dass die einstige Fotoplattform trotz aller Kritik mittlerweile zu einem relevanten Verbreitungsweg für TV- und Radiosender, Zeitungen und Verlage geworden ist. Doch so stark Instagram journalistisch genutzt wird, so rar ist bislang die Forschung dazu gewesen. Michael Graßl und Jonas Schützeneder haben sich als Wissenschaftler der Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) vertieft mit Instagram und der wachsenden Bedeutung von Social Media für den Journalismus auseinandergesetzt.

Marketing der sozialen Medien und Journalismus – wie passt das zusammen? Die KU-Wissenschaftler Michael Graßl und Jonas Schützeneder haben die journalistische Nutzung von Instagram untersucht. Fotos: upd

„Instagram ist für viele journalistische Marken die einzige verbliebene Bindung zu einer jungen Zielgruppe, die sich in großen Teilen digital und on-demand informiert. Metaphorisch gesprochen: Instagram ist das Scharnier, das Publikum und Journalismus zusammenbringt“, erklärt Jonas Schützeneder. Entsprechend haben journalistische Inhalte auf der einstigen Fotoplattform in den letzten Jahren stark zugenommen. Nicht nur überregionale Leitmedien wie der „Spiegel“ oder die „Bild“ pflegen eigene Instagram-Kanäle, sondern auch immer mehr Lokalmedien. Michael Graßl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Journalistik an der KU. Jonas Schützeneder war bis Oktober vergangenen Jahres Kollege von Graßl und ist derzeit Vertretungsprofessor für Journalismus und digitale Innovation an der Hochschule Magdeburg-Stendhal.

Instagram sei mit seiner Kombination aus Unterhaltung, Information und Werbung Konkurrenz zu den journalistischen Medienmarken, betont Schützeneder. Als „Influencer“ kann grundsätzlich jede Privatperson deren Möglichkeiten nutzen. Für die klassischen journalistischen Marken bedeute das: „Chancen und Risiken sind auf Instagram direkt gekoppelt: Zugang zur wichtigen jungen Zielgruppe, aber eben unter den Regeln und der ökonomischen Dominanz der Plattform Instagram.“

Michael Graßl.

Gerade auf lokaler Ebene beobachten Graßl und Schützeneder aktuell häufig noch ein „strategieloses Bespielen des Kanals“, es gebe aber ebenso Redaktionen und Medienhäuser, die bereits erfolgreich auf Instagram agieren. Zudem rege Instagram Redaktionen zum Umdenken an – denn die Logiken der Plattform erforderten eine emotionalere, persönlichere, authentischere und ästhetischere Darstellung von Inhalten. So entstehen im Bereich der journalistischen Instagram-Nutzung aktuell sogar neue Formate wie die „News-WG“ des Bayerischen Rundfunks.

Einblick in ihre eigene Forschung sowie die weiterer Wissenschaftler auf diesem Themengebiet bietet nun ein von Graßl und Schützeneder herausgegebener Sammelband. Hinter dem Titel „Journalismus und Instagram. Analysen, Strategien, Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis“ verbergen sich insgesamt 17 Beiträge von Forschenden sowie von Experten aus der Praxis. „Wir wollten mit dem Buch einen Anlaufpunkt für verschiedene Interessierte schaffen: Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Medienschaffende und Studierende bis hin zu interessierten Bürgerinnen und Bürger”, sagt Michael Graßl. Neben prägnanten Analysen des Status-Quo ergeben sich Ansatzpunkte für den künftigen Umgang mit Instagram – so finden sich Überlegungen zu Qualitätskriterien für Journalismus in sozialen Netzwerken, zum Umgang mit ethischen Fragestellungen und zur Ausbildung des journalistischen Nachwuchses.

Wie deutsche Lokalzeitungen Instagram nutzen, betrachten Graßl und Schützeneder in einem Aufsatz mit ihrem Kollegen Korbinian Klinghardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Journalistik der KU. Sowohl im Bereich Story als auch im Feed sehen die Forscher Nachholbedarf: Noch würden die Lokalblätter die kreativen Möglichkeiten wie Filter – eigentlich typisch für Instagram – zu zurückhaltend nutzen. Allerdings kann man diesen Schluss der Wissenschaftler auch durchaus kritisch sehen – schließlich bedeutet jeder Filter auch eine Verfremdung von Realität. Und Journalismus sollte sich schließlich bemühen, Realität möglichst objektib abzubilden.

Jonas Schützeneder.

Eine weitere Beobachtung: Während Lokalzeitungen vor allem unter der Woche ihre Story füttern, konsumieren Instagram-User besonders gern am Wochenende. Hier gelte es, sich stärker auf das spezifische Nutzungsverhalten einzustellen. Anna Zimmermann, ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Eichstätter Journalistik, ergänzt in ihrem Aufsatz: Auch die Nutzung der Videofunktionen auf Instagram seitens der klassischen Medienhäuser ist deutlich ausbaufähig. Obwohl Bewegtbild eine reichweitenstarke Komponente ist, nutzen in Zimmermanns Studie 40 Prozent der Medienhäuser weder die Reel- noch die IGTV-Funktion.

Die hohe Relevanz von Instagram für den Journalismus schlägt sich auch organisatorisch in den Medienhäusern nieder. In einem weiteren gemeinsamen Aufsatz kommen Graßl, Schützeneder und Klinghardt auf Basis von Expertengesprächen mit Social-Media-Verantwortlichen deutscher Tageszeitungen zu dem Schluss, dass Social-Media-Redaktionen zu den zentralen redaktionellen Einheiten der Zukunft heranwachsen. Durch ihre Verbindungen zu verschiedenen Redaktionen, zur Medienorganisation (bzw. zum Verlag) und dem Publikum werden sie zum wichtigen Bindeglied zwischen den verschiedenen Polen und einem „kommunikativen Herzstück“. Über die Expertengespräche konnten die Forscher zudem eine „operative Schaufenster-Strategie“ bei den Redaktionen identifizieren: Durch schöne Fotos mit regionalem Bezug im Feed soll die junge Zielgruppe angelockt werden, um dann das eigentliche „Verkaufsobjekt“, die journalistischen Inhalte, zu präsentieren. Bislang allerdings zeige die Strategie nur mäßigen Erfolg.

Wie Journalismus auf Instagram tatsächlich punkten kann, zeigen zum Abschluss des Sammelbands mehrere Praktiker-Beiträge. Sarah Beham, Korrespondentin des „Bayerischen Rundfunks“, verdeutlicht, wie detailliert sie eine Instagram-Story plant. Wie der „Spiegel“ auf Instagram mit Mitteln des digitalen Storytellings experimentiert, zeigen Jens Radü und Angela Gruber auf. Nicht ohne zuletzt in diesem Sammelband daran zu erinnern: „Nicht der Ausspielkanal bestimmt über die Güte, sondern die Story selbst.“

Jonas Schützeneder/Michael Graßl (Hrsg.): Journalismus und Instagram: Analysen, Strategien, Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis. Verlag Springer 2022. ISBN 978-3-658-34602-7

Quelle
upd
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