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Posthalterei und Schnappkarrenfahrerhaus

Einmaliges Kulturdenkmal in Mörnsheim soll wieder mit Leben erfüllt werden

Mörnsheim. – In der Marktgemeinde Mörnsheim findet sich ein kultureller Schatz, dem man seine Bedeutung nicht auf den ersten Blick ansieht. Es handelt sich um eine Ansammlung von historischen Häusern, deren ältestes noch im Mittelalter errichtet wurde – noch bevor Kolumbus die Segel setzte, um einen Seeweg nach Indien zu finden und stattdessen auf den amerikanischen Kontinent stieß. Der Rest ist Geschichte – auch bei jenem Häuserensemble in Mörnsheim, dem nun nach einem langen Schattendasein neues Leben eingehaucht werden soll.

Professor Matthias Pfeil, Chef des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, sortiert die Gebäude in die Rubrik „national bedeutsames, das kulturelle Erbe mitprägendes Kulturdenkmal“ ein. Ein solches kompaktes Quartier von Jurahäusern gebe es in Deutschland kein zweites Mal. Abgesehen von der wertvollen Bausubstanz an sich legen die alten Gemäuer Zeugnis ab von der Steingewinnung, die seinerzeit praktisch die gesamte Marktgemeinde ernährte, dem sozialen Leben damals und von wirtschaftlichen Aspekten. Das Qualitätssiegel des Generalkonservators bringt noch einen weiteren positiven Effekt mit sich: Es ist ausschlaggebend für Zuschüsse aus Bundesmitteln.

Nach über 600 Jahren Schimmel angesetzt

Und die sind nötig, denn die Häuser befinden sich teilweise in desolatem Zustand. Das gilt vor allem für das älteste Haus von 1416. Davon sind noch rund 70 Prozent im Originalzustand erhalten. Aber die Mauern sind feucht, eine an der Südseite ist eingestürzt, die Decken sind teilweise morsch, Schimmel hat sich breit gemacht. In den übrigen Gebäuden sieht es vielleicht nicht ganz so schlimm aus, aber bewohnbar sind sie – bis auf eine Ausnahme – alle nicht. Sie stehen teilweise schon seit Jahrzehnten leer. Aber nun sollen sie aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und einer neuen Nutzung zugeführt werden.

Für die Rettung des Ensembles hat sich ein Bündnis zusammengefunden. Am Anfang standen Michaela und Michael Hajek und sowie der Architekt Johannes Steinhauser und seine Frau  Elizabeth. Alle vier kennen die Häuser von Geburt an und wollten sie nicht der Abrissbirne preisgeben. Sie kauften die Häuser kurzerhand und nahmen eine Notsicherung vor.

Corona bremste vieles, aber nun ist wieder Schwung in die Sache gekommen. Der Jurahausverein hat sich bereit erklärt, zwei der Häuser – das älteste sowie das „Kutscherhäusl – zu übernehmen, eine Art Grundsanierung durchzuführen und sie dann an einen Investor zu übergeben. Das hat auch den Vorteil, dass der Jurahausverein leichter an Zuschüsse kommt als Privatpersonen. Überdies ist der Erhalt historischer Gebäude das Kernanliegen des Vereins. Eva Martiny, die Vorsitzende, hat schon konkrete Vorstellungen über die weitere Vorgehensweise: „Wir wollen den Rohbauzustand herstellen, inklusive des Steindachs“, sagt sie. Im jetzigen Zustand seien die Häuser einfach nicht vermittelbar. Der Investor oder spätere Eigentümer müsste sich aber nach der Sanierung nur noch um den Innenausbau kümmern.

Einiges kann zwar vermutlich nicht erhalten werden, dennoch soll möglichst viel der originalen Bausubstanz genutzt und wieder sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig könnte eine faszinierende Verbindung zwischen Historie und modernen Anforderungen gelingen. Eva Martiny denkt zum Beispiel daran, die eingestürzte Südwand durch eine Glasfront zu ersetzen. Eines ist allerdings klar: Eine normale Wohnnutzung dürfte kaum möglich sein, dazu sind beispielsweise die Decken im Obergeschoss viel zu niedrig. Aber als Ferienwohnungen, als Gastronomie oder als Museum scheinen die alten Häuser ideal.

Wirtshaus, Posthalterei und ein Schnappkarren

Eines der Gemäuer war sowieso einst Wirtshaus und Posthalterei dazu. Auch die Einrichtung eines Museums liegt eigentlich auf der Hand, um die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Marktgemeinde abzubilden. Ein Beispiel: Sogenannte Schnappkarren transportierten den Abraum der Steinbrüche auf die Halden. In Hochzeiten beherbergte Mörnsheim daher nicht weniger als 300 solche Schnappkarrenfahrer. Eines ihrer Häuser ist erhalten. Vorne lebten die Menschen, hinten das Zugpferd. Da es keinen eigenen Zugang zum Stall gab, der vielmehr Teil des Hauses war, wurde das Tier durch die Haustür und durch den Flur geführt. Sogar ein Exemplar eines solchen Schnappkarrens hat sich erhalten.

Die Bewohner hielten nicht nur Ziegen, Schafe, Hühner und manchmal auch eine Kuh. Sie pflanzten auch in kleinen terrassenförmigen Gärtchen hinter dem Haus Gemüse an. Auch das lässt sich hautnah nachvollziehen. Die Gärtchen sind zwar verwildert, und auch die Steineinfassungen müssten zum Teil erneuert werden, aber das sind keine großen Sachen. Eine Besonderheit in manchen Gebäuden des historischen Ensembles sind die Keller. Normalerweise konnten die Häuser in Mörnsheim wegen des feuchten Untergrunds und der nahen Gailach nicht unterkellert werden – außer denen am Rand, den am Fuß des Hanges gelegenen. Es gab sogar „Kellerrechte“ für Bürger, die in diesen Häusern gar nicht wohnten – beispielsweise für einen Bäcker. Das müssen künftige Eigentümer allerdings nicht befürchten: dass ihnen wildfremde Leute durch die Wohnung latschen und ihnen eine Urkunde mit Siegel vorweisen, dass sie das auch dürfen. Die alten Rechte sind abgelöst worden. Alona Bartenschlager

[BUs zu den Bildern und/oder Nummerierung im Kasten:]

[BU zu Bild DSC07874]: In die ehemalige Gastwirtschaft könnte erneut eine Gastronomie einziehen. Auch eine museale Verwendung wäre denkbar.

[BU zu Bild DSC07875]: Das älteste Haus stammt von 1416. Hier sind noch etwa 70 Prozent der originalen Bausubstanz erhalten

[BU zu Bild DSC07876]: Die beiden Häuser sind ineinander verschachtelt: Ein Raum des einen ragt in den Baubestand des zweiten hinein.

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Das historische Ensemble

Die beiden Anwesen Kirchenweg 2, Hausname „Kutscher“ und das älteste Haus von 1416 sind ineinander verschachtelt. Ein Raum von Kirchenweg 2 ragt in den Baubestand von Kirchenweg 1 hinein. „Kutscher“ verfügt über ein Fachwerk-Obergeschoss, das vermutlich aus dem Jahr 1723 stammt. Im mittelalterlichen Gemäuer hat sich eine Rußkuchl erhalten. In beiden Häusern existieren noch die originalen Bohlen-Balken-Decken. Diese beiden Gebäude will der Jurahaus-Verein übernehmen.

Marktstraße 4 trägt den Hausnamen „Stachel“. Es stammt aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Teile des Obergeschosses und der Dachkonstruktion datieren von 1469. Es verfügt neben einer Rußkuchl auch über ein zweifaches Kellergewölbe. Das Haus Marktstraße 3 ist in Privatbesitz und noch bewohnt. Das Anwesen Marktstraße 1 und 2 mit dem Hausnamen „Koller“ wurde um 1691 hochgezogen und im 17./18. Jahrhundert noch einmal verändert.

Beim Haus Im Winkel 1, auch „Blatter Hanni“ genannt, handelt es sich um ein ehemaliges Gasthaus und die frühere Posthalterei. Der Kern des Gebäudes stammt aus dem 16. Jahrhundert. Fachwerk und Dachstuhl datierten von 1687. Im 18. Jahrhundert wurde es mit Stube von 1744 ausgebaut und nach Westen erweitert.

Im direkten Zusammenhang liegt dahinter das vermutlich ehemals als zugehöriges Wirtschaftsgebäude errichtete Haus Im Winkel 2, mit dem Hausnamen „Christian“. Aus dieser Zeit, um 1724, stammt der tonnengewölbte Keller. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude zum zweigeschossigen Wohnhaus umgebaut.

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