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Mit Mathematik den Drachen besiegen: 
Innovatives Computerspiel für Studierende

KU-Mathematiker präsentiert selbstentwickeltes Computerspiel

Eichstätt. – Mit einem selbst entwickelten und programmierten Computerspiel will Mathematiker Dominik Engl von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) die Studierenden zum selbstreflektierten Lernen motivieren und ihre kreative Problemlösekompetenz stärken. Die Spieler navigieren dabei ihre Charaktere durch ein Labyrinth, öffnen Türen und Tore, indem sie Rätsel lösen, und sammeln Schlüssel in Form mathematischer Definitionen und Theoreme. Ursprünglich hatte Engl ein analoges Kartenspiel im Rahmen eines Workshops zur Hochschuldidaktik entwickelt, welches er später digitalisierte und in eine Lehrveranstaltung über Differentialgleichungen integrierte.

Spielerisch lernen: KU-Wissenschaftler Dominik Engl und sein Mathe-Game (Foto unten). Fotos: upd/Christian Klenk

Das Computerspiel trägt den Titel „Die direkte Methode von Ljapunov“ – denn dieses zentrale mathematische Konzept aus der Stabilitätstheorie autonomer Differentialgleichungen steht im Mittelpunkt des Spiels – so weit, so schwierig. Mit dem Spiel soll solch trockene Materie möglichst anschaulich vermittelt werden. Aber worum geht es dabei überhaut? Die Methode ist ein Instrument zur Analyse der Stabilität von Gleichgewichtspunkten und ermöglicht es zu bestimmen, ob das Verhalten eines Systems über die Zeit stabil bleibt, ohne die exakten Lösungen des Systems kennen zu müssen. „Die direkte Methode von Ljapunov ist ein mathematischer Satz, der Aufschluss über die Stabilität von Ruhelagen autonomer Systeme gibt. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass eine Lösungskurve, die in hinreichender Nähe einer Ruhelage startet, auch zu allen zukünftigen Zeitpunkten nahe dieser Ruhelage verbleibt“, erläutert Dominik Engl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Analysis der Mathematisch-Geographischen Fakultät der KU. Engl wählte dieses Thema für sein Spiel, da es einen der wichtigsten Sätze in seiner Lehrveranstaltung über Differentialgleichungen darstellt, weil die Einführungen hierzu recht elementar sind, was es den Studierenden erleichtert, sich an die neuen Begriffe zu gewöhnen. Der Beweis der Methode lasse sich zudem anschaulich darstellen, erklärt Engl.

Zu Beginn wählen die Spieler zwei Charaktere, wie etwa „Analytikerin Veronica“ und „Statistiker Lucius“, und beginnen dann ihren Weg durch das Labyrinth aus Räumen, Gängen, Hindernissen und mathematischen Herausforderungen. Das grundlegende Prinzip ist eine Spielwelt, in der man sich mittels eines Schlüssel-Schloss-Prinzips Zugang zu neuen Räumen verschafft. Engl, der selbst ein begeisterter Gamer ist, ließ sich beim Programmieren von weltweit bekannten Spielen wie „The Legend of Zelda“, einem erfolgreichen Fantasy-Videospiel von Nintendo, inspirieren. Sein Ziel ist es jedoch nicht nur zu unterhalten, sondern die Studierenden zu aktivem, selbstreflektiertem Lernen anzuregen und ihre Problemlösungsfähigkeiten zu fördern.

Das Spiel folgt daher keiner strikt linearen Struktur – vielmehr müssen die Spieler ihr Wissen an verschiedenen Stellen sammeln, um das nächste Level und letztlich das Ziel zu erreichen. „Oft müssen die Studierenden während des Spiels überlegen, ob sie bereits über das nötige theoretische Wissen verfügen, um das nächste Problem zu lösen, oder ob sie sich erst noch an anderer Stelle umschauen und später mit eventuell neuen Techniken zurückkehren sollten“, erklärt Engl.

An verschiedenen Stellen im Spiel hat Engl in die Grafik der Spielumgebung Elemente eingebaut, die die mathematischen Probleme optisch aufgreifen oder verdeutlichen. Die Spieler bewegen ihre Figur beispielsweise in einer Spirale auf einen Mittelpunkt zu, wo sie eine Aufgabe erhalten. Sie sehen eine Skizze von Lösungskurven und müssen dann eine sogenannte „Ljapunov-Funktion“ aufstellen. „Allein mit der gegebenen Definition des Begriffs ‚Ljapunov-Funktion‘ werden die Spieler hier wahrscheinlich nicht weiterkommen. Haben sie jedoch an anderer Stelle gelernt, dass Ljapunov-Funktionen auch dadurch charakterisiert sind, dass sie entlang von Trajektorien monoton fallen, dann können sie dieses Wissen hier einsetzen“, gibt Engl einen Hinweis. Aus seinen Ausführungen wird deutlich: Ein gewisses mathematisches Vorwissen ist notwendig, um die Aufgaben im Spiel zu lösen. Wer jedoch bei einem mathematischen Rätsel nicht weiterkommt, kann sich eine Hilfestellung anzeigen lassen.

Drache als Endgegner

Nach und nach erarbeiten sich die Studierenden Teile eines geistigen Puzzles. Schließlich stehen sie dem „Endgegner“ gegenüber: einem großen Drachen, den es im „Dungeon“ (Verlies) mit einer besonders anspruchsvollen Aufgabe zu besiegen gilt. Engl hat in Anlehnung an „The Legend of Zelda“ einen typischen Dungeon geschaffen, in dem sich die Spielerinnen und Spieler in einer labyrinthischen Struktur mit Gegnern und Rätseln auseinandersetzen müssen. „Für mich besteht eine direkte Parallele zwischen dem Erkunden von Spielwelten mit Hilfe neu gefundener Werkzeuge und dem Erforschen der Mathematik“, sagt Engl.

Im Sommersemester 2023 konzipierte Dominik Engl zunächst ein Kartenspiel im Rahmen des KU-Workshops „Hochschule und Gaming – Kommunikation, Didaktik, Community“, das er über ein Semester hinweg zu einem Computerspiel weiterentwickelte. Er gestaltete es grafisch selbst und versah es mit Musik und Geräuschen, um es schließlich online zu veröffentlichen und in seiner Lehre einzusetzen. „Wir Studierenden hatten viel Spaß, uns durch die Gänge zu bewegen und an den Aufgaben zu tüfteln“, erzählt Mathematik-Studentin Miriam Gradl. „Im Vergleich zu den sonstigen Mathematik-Vorlesungen haben wir uns so viel aktiver mit dem Stoff beschäftigt und bereits während des Kurses mehr Inhalte und Techniken aufgenommen, als wir es sonst tun würden. Die Fähigkeit des Selbstreflektierens ist an vielen Stellen im Spiel essentiell – so wie auch für das Mathematikstudium insgesamt.“ Auch Dozent Dominik Engl ist überzeugt davon, dass das Spiel es den Studierenden ermöglicht, sich die Zusammenhänge zwischen den erarbeiteten mathematischen Aussagen noch besser zu erschließen als bei der traditionellen Arbeit mit einem Vorlesungsskript. Er hofft, dass sich seine Studierenden auf diese Weise leichter an die Theorie erinnern können.

Tipp:

Das Spiel „Die direkte Methode von Ljapunov“ ist online abrufbar unter
 https://dominikengl.itch.io/ljapunov 
(Passwort: Ljapunov).

 

Quelle
upd
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