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Jugendbeteiligung statt Politikverdrosenheit: Kulturpreis Bayern für Claudia Bosch

Ehemalige KU-Wissenschaftlerinerhält Auszeichnung für Forschung zu Jugendlichen: Engagement von Jugendlichen nicht ignorieren

Eichstätt. – Die Geographin Claudia Bosch erhält für ihre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) entstandene Dissertation zu Fragen von politischer Teilhabe junger Menschen den diesjährigen Kulturpreis Bayern. Diesen vergibt jährlich die Bayernwerk AG gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Geehrt werden Künstler sowie die 32 besten Universitäts- und Hochschulabsolventen Bayerns.

Junge Menschen besser beteiligen – das ist das Fazit von Claudia Boschs Forschungen, für die sie nun ausgezeichnet wurde. Fotos: privat/upd

In der Sparte Wissenschaft ist der Preis mit 2.000 Euro dotiert. Die feierliche Verleihung findet am 10. November statt. „Mit dem Kulturpreis Bayern möchten wir die Aufmerksamkeit auf unsere Wissenschaftspreisträger lenken. Sie stehen für Innovationskraft und Zukunftsgestaltung“, sagt Egon Leo Westphal, Vorstandsvorsitzender der Bayernwerk AG. „Wissenschaft und Forschung sind die Schlüssel, um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb zu brillieren. Der wissenschaftliche und kreative Ideenreichtum der Preisträgerinnen und Preisträger ist beeindruckend“, lobt der Bayerische Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume, der beim Dies Academicus Ende Mai seinen Antrittsbesuch an der KU hatte.

In ihrer vom Lehrstuhl für Humangeographie betreuten Dissertation hat sich Claudia Bosch am Beispiel von Peru mit Hürden für die gesellschaftliche und politische Teilhabe junger Menschen beschäftigt und diskutiert, wie sie Ausgrenzung selbst überwinden und von anderen Akteurinnen und Akteuren dabei unterstützt werden können. „Obwohl Jugendliche und junge Erwachsene in öffentlichen Diskursen als wichtige Beteiligte für politische Aushandlungen dargestellt werden, nehmen sie in vielen Ländern randständige Positionen in institutionalisierten Partizipationsprozessen ein.

In Lateinamerika und Europa sind Interessenvertretungen junger Personen oft mit so geringen Einflussmöglichkeiten und Ressourcen ausgestattet, dass sie kaum handlungsfähig sind“, erläutert Bosch. Dies führe häufig bei jungen, politisch engagierten Personen zu Frustration und zur Verfestigung des Eindrucks, dass es für ihren Einsatz und ihre Meinungen nur wenig Raum gibt. Zudem würden sie sich von institutionalisierten Formen der Teilhabe entfernen, was häufig als Politikverdrossenheit fehlgedeutet werde. „Dabei wird durch Bewegungen wie Fridays for Future deutlich, dass junge Personen aktiver Teil der Bürgerschaft sind und sich außerhalb repräsentativer Strukturen rege an politischen Aushandlungen beteiligen“, schildert die Wissenschaftlerin. Sie ist mittlerweile am Berliner Nexus-Institut tätig, das deutschlandweit Bürgerbeteiligungsprozesse zu Themen aus den Bereichen Demokratie, Nachhaltigkeit sowie Regionalentwicklung begleitet.

Lob für KU-Forschundsprojekte an KU zu gesellschaftlichen Themen gab es vom bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume bereits im Mai bei seinem Antrittsbesuch an der KU beim Dies Academicus – jetzt auch für die Dissertation von Claudia Bosch.

In zahlreichen Interviews mit Jugendlichen und fördernden Institutionen von Jugendpartizipation zeigte sich ein breites Spektrum an Ursachen für geringe politische Teilhabe: Neben zeitlichen und finanziellen Ressourcen gebe es kaum praktische Teilhabeerfahrungen im schulischen Umfeld sowie wenige Orte, an denen im öffentlichen Raum Partizipation stattfinden könne. Zudem würde jungen Erwachsenen häufig vermittelt, dass ihnen nur ganz bestimmte Räume und Formen der Teilhabe zustünden. „Junge Personen, die sich gegen Ausgrenzungstendenzen zur Wehr setzen, ändern häufig ihre Handlungsstrategien hin zu Formen, die scheinbar zwischen formellen und informellen Formen des Politikmachens oder sozialer und politischer Teilhabe liegen“, erfuhr Claudia Bosch im Lauf ihrer Untersuchung.

So ließen sie Personen oder Gruppen in dem Glauben, dass sie ihrer Kontrolle unterliegen oder lenkbar seien, erschlossen sich zeitgleich aber mit großem Einfallsreichtum neue Handlungsoptionen. Eine Gruppe peruanischer Jugendlicher willigte beispielsweise ein, aktiv den Wahlkampf eines umstrittenen Politikers zu unterstützen, wenn dieser eines ihrer Projekte zu Menschenrechten finanziell fördere. Die Jugendlichen setzten ihr Projekt um, warben jedoch nie für den Politiker. Die Ausübung solcher Taktiken der „Scheinkooperation“ erfahre zwar gesellschaftliche Missbilligung, erscheinen den interviewten Jugendlichen dennoch legitim, da sie sich selbst ähnlichen Praktiken ausgesetzt sehen.

In anderen Fällen hätten sich junge Erwachsene bewusst gegen Kooperationen mit mächtigeren Akteurinnen und Akteuren oder die Einbindung in vorhandene Teilhabestrukturen entschieden. Zwar hätten sie ohne formale Organisation keine Chance auf staatliche Förderung, jedoch sei es ihnen wichtiger über mehr Entscheidungsfreiheit und höhere Flexibilität zu verfügen, um wiederum anderen Jugendlichen einen leichten Zugang zu ermöglichen. Die eigene Peergroup spiele für Jugendliche beim Erlernen von Techniken zur Durchsetzung ihrer Teilhabe eine wichtige Rolle. Deshalb seien sowohl Netzwerke innerhalb der eigenen Generation als auch generationenübergreifend besonders wichtig für den langfristigen Erhalt von Möglichkeiten zur Mitsprache und Mitgestaltung für Jugendliche.

Die von Bosch gewonnenen Erkenntnisse sind nicht nur für den peruanischen Kontext relevant: „Angesichts wachsender gesellschaftlicher Polarisierung und des Erstarkens rechts-populistischer Bewegungen sowie der vielfach proklamierten Demokratiekrise bedarf es neben funktionierenden Institutionen auch einer kritischen Öffentlichkeit, in der sich diverse Beteiligte zum Austausch eingeladen fühlen.“ Die Arbeit liefert Impulse für eine Diskussion darüber, wie Partizipation funktioniert oder eben nicht funktioniert und wo überall politische Aushandlungen stattfinden können und wer bestimmt, was politisch relevant ist. Bosch betont: „Wenn wir unseren Blick auf Prozesse lenken, in die weniger sichtbare Engagierte bereits jetzt ihr ganzes Herzblut stecken, können wir neue Ideen und motivierte Akteurinnen und Akteure für die Gestaltung politischer Aushandlungen gewinnen. Keine Gesellschaft kann es sich leisten, dieses Engagement zu ignorieren.“

Die feierliche Verleihung des Kulturpreises Bayern wird am 10. November unter www.bayernwerk-live.de/kulturpreis-bayern/ ab 19 Uhr live aus den Münchner Eisbachstudios übertragen.

Über den Kulturpreis Bayern

Das Bayernwerk verleiht den Kulturpreis seit 2005. In der Kategorie Wissenschaft werden die Preisträgerinnen und Preisträger durch die Hochschulen und Universitäten vorgeschlagen. Zudem werden auch Künstlerinnen und Künstler für ihr herausragendes Wirken geehrt. Traditionell würdigt er bedeutendes künstlerisches Wirken sowie die Absolventinnen und Absolventen, Doktorandinnen und Doktoranden der bayerischen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und staatlichen Kunsthochschulen. Ausgewählt wurden sie jeweils von der Hochschule, Universität oder Kunsthochschule, an der sie ihre Abschluss- oder Doktorarbeit eingereicht haben. Neben einem Preisgeld erhalten die Ausgezeichneten auch die Bronzestatue „Gedankenblitz“. Dotiert ist die Auszeichnung mit insgesamt 96.000 Euro. Weitere Informationen unter www.bayernwerk.de/kulturpreis22.

Quelle
upd
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