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Platz für 240 Flüchtlinge: Schottenau-Turnhalle wird Flüchtlingsunterkunft

Rund 1.900 registrierte Flüchtlinge im Landkreis – Bedarfsermittlung gleicht „Blick in die Glaskugel“

Eichstätt. – Es sind beklemmende sechs Quadratmeter. Drei Stockbetten, getrennt durch Sichtschutz und die Spinde zur Aufbewahrung von Kleidung und persönlichen Dingen. Dazwischen eben in etwa jene sechs Quadratmeter Platz, die sechs Menschen beherbergen sollen. Da wird auch den Aufbauhelfern schnell klar, was Flucht für die Ukrainer bedeutet – zwar weniger schrecklich, aber vielleicht letztlich eindringlicher als Bilder von explodierenden Bomben im Fernsehen, die dann doch immer irgendwie weit weg wirken. Rund 240 Menschen aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern werden ab Anfang Januar in solch kleinen Einheiten aus Stockbetten in der Eichstätter Schottenauhalle unterkommen. Mit Unterstützung durch die 24. Hundertschaft der Eichstätter Bereitschaftspolizei haben Landratsamt, THW und Vertreter des Schulzentrums Schottenau gestern dessen Turnhalle in eine Flüchtlingsunterkunft umgerüstet – ein logistischer Kraftakt, aber ein notwendiger: Denn der Bedarf werde wohl hoch bleiben, heißt es.

Hand in Hand ging es gestern beim Aufbau der Betten und – wie hier – der Trenn- und Sichtschutzwände.

In einer konzertierten Aktion haben Technisches Hilfswerk (THW), Landratsamt und vor allem die rund 100 fleißigen jungen Frauen und Männer der 24. Hundertschaft der Eichstätter Bereitschaftspolizei gestern Nachmittag die Mehrfachturnhalle in der Schottenau in Eichstätt in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt. „Ohne die machen wir das nicht mehr“, sagt einer der THW-Verantwortlichen grinsend. Denn die vielen starken Hände in ihren Uniformen bauen schnell und effektiv die Stockbetten auf, tragen Spinde an Ort und Stelle, verteilen Matratzen und Bettdecken. Währenddessen installieren Elektriker Steckdosen. Auch das W-Lan läuft bereits. Denn die Verbindung über das Internet nach Hause, zu den Familienangehörigen in der Ukraine etwa, ist für die Geflüchteten mit das Wichtigste – zu wissen, dass es ihnen gut geht.

Rund 1.900 Flüchtlinge im Landkreis – oder 1,4 pro 100 Einwohner

Wenn Anfang Januar der erste Bus mit rund 50 Geflüchteten ankommt, wird also alles längst vorbereitet sein. „Wir wollten die Zeit nutzen und das jetzt vor den Feiertagen noch erledigen“, sagt Manfred Schmidmeier vom Landratsamt Eichstätt. Morgends waren schon der Eichstätter Oberbürgermeister Josef Grienberger und Landrat Alexander Anetsberger vor Ort und dankten den vielen Helfern für ihre Arbeit. Jetzt also doch. Im Interview mit in der Dezember-Ausgabe des Eichstätter Journals hatte Anetsberger Ende November noch gesagt, er hoffe, dass sich die erneute Nutzung von Turnhallen als Flüchtlingsunterkünfte vermeiden lasse, nun aber ist es erneut so weit: Die Zahl der Flüchtlinge nehme wieder zu, und zwar nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Ländern, so Manfred Schmidmeier, Sprecher des Landratsamtes. Wieviele es genau werden, wisse natürlich niemand. Derzeit seien es rund 1.900 Flüchtlinge im Landkreis – möglicherweise auch einige mehr, wie Ukrainer, die privat untergekommen und bisher nicht registriert seien. Zum Vergleich: Der Landkreis Eichstätt hat etwa 135.000 Einwohner. Auf 100 Landkreisbewohner kommen also derzeit rund 1,4 Flüchtlinge.

Kräftig angepackt haben gestern die rund 100 Frauen und Männer der Bepo in der Schottenau. So ist gemeinsam mit dem THW und anderen Helfern aus der Schottenau-Turnhalle an einem Tag eine komplette Flüchtlingsunterkunft geworden. Fotos: Zengerle/Stein

Für weitere 240 Menschen wird die Schottenau-Turnhalle wohl schon Anfang des neuen Jahres vorübergehend ihr provisorisches Zuhause werden – für knapp fünf volle Busse also. Das Problem: Die könne man momentan auch nicht schnell wieder „abverlegen“. Es gebe insgesamt zu wenige dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten im Landkreis, erklärt Schmidmeier und appelliert einmal mehr an die Bevölkerung, an Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, was eben möglich sei. Auch Bauplätze seien willkommen, sagt Ralf Fährmann, Leiter des Hochbauamtes. Man befinde sich bereits in Gesprächen mit Gemeinden, um zusätzliche Grundstücke zu identifizieren, um neue Einrichtungen in Modulbauweise – sprich: aus Wohncontainern – zu errichten. Da gebe es inzwischen gut abgestimmte, standardisierte Systeme, die jeweils rund 30 Menschen Platz zum Wohnen böten. Dafür benötige man rund 500 Quadratmeter an erschlossener und baufähiger Fläche. Derzeit werde zudem die Unterkunft am Bergfürst in Lenting von derzeit 50 auf etewa die doppelte Zahl an Plätzen ausgebaut, so Schmidmeier.

Aktuell fehlt aber vorerst weiterer Platz, und so ist es eben nun doch zumindest vorübergehend wieder eine Turnhalle, die umfunktioniert wird und bereits einen Spezialboden erhalten hat, um den Hallenboden zu schützen. All das ist für die Beteiligten inzwischen Routine, sagt etwa Florian Stopper vom THW: Schließlich ist es nach denen in Gaimersheim und Kösching bereits die dritte Turnhalle, die entsprechend zur Unterbringung von Geflüchteten ausgerüstet wird. Während die anderen beiden inzwischen wieder für Sportr genutzt werden, ist nun eben Eichstätt dran – und das, obwohl es in der Domstadt ohnehin einen Engpass wegen der Generalsanierung der Universität (KU) gibt: Dazu gab es jüngst einen Krisengipfel mit allen Schulen und Einrichtungen mit Turnhallen und Stefan Wenzel, dem Leiter des Facility Managements der KU, wo nach beteiligten Quellen ebenfalls noch erheblicher Klärungsbedarf besteht.

Leben auf rund sechs Quadratmetern: Viel mehr Platz ist nicht zwischen den Spinden und Stockbetten, die jede der Parzellen für jeweils sechs Menschen hier bietet.

Die Schottenau fällt nun vorerst ebenfalls weg. Vorteil in Eichstätt seien die kurzen Wege zu Behörden und allen Dingen des täglichen Bedarfs. Neben jenen 40 Parzellen für jeweils sechs Personen, die zwei Teile der Dreifachturnhalle belegen, gibt es im dritten Teil den Verpflegungs- und Aufenthaltsbereich mit Kinderspielecke. Für die Verpflegung sorgt die Firma Pöschl Catering aus Eichstätt, die zum Beispiel auch Schulverpflegung übernimmt. Auch im Freien werde man am vorhandenen Basketballplatz im Schulzentrum Schottenau Raum zur Beschäftigung bieten. Beim Schulzentrum ist man zwar nicht begeistert, die Turnhalle nicht zur Verfügung zu haben, ist aber auch hilfsbereit, wie Thomas Hross als Stellvertretender Schulleiter bestätigt. Als Ausweichmöglichkeit für Sport stehe auch die nahegelegene Boxerhalle zur Verfügung. Auch die städtische Sporthalle ist zwar gut ausgebucht, liegt aber ebenfalls gleich nebenan. Das Hallenbad Schottenau werde durch die Maßnahme nicht beeinträchtigt.

„Ankommen und zur Ruhe kommen“

Im Januar sollen die ersten Asylsuchenden und Kriegsgeflüchteten kommen. In der Turnhalle aber war gestern Abend bereits alles weitgehend fertig. Man helfe gerne, sagt Friedrich Heckl, der Leiter der 24. Bepo-Hundertschaft. Es sei für die jungen Polizisten nicht nur eine sinnvolle Tätigkeit, sondern auch eine Erfahrung, jene kleinen Unterkünfte mit jenen sechs Quadratmetern selbst zu erleben. Jeder können sich gut vorstellen, was das in Sachen Lebensqualität und Privatsphäre bedeute. Umso wichtiger sei für die Betroffenen in einem fremden Land auch eine entsprechende Betreuung, sagt Projektleiterin Marion Fitzgerald vom Landratsamt, die das Projekt koordiniert. Die Menschen müssten in einer solch schwierigen Situation erst einmal ankommen und zur Ruhe kommen. Besonders wichtig aber seien auch die Ansprechpartner der Caritas, die hier für Unterstützung sorgen – von seelischen Nöten bis hin zu ganz praktischen Themen wie sprachlichen Problemen oder der deuteschen Bürokratie.

Einen herzlichen Dank gab es zu Beginn für die vielen Helfer von Landrat Alexander Anetsberger und dem Eichstätter OB Josef Grienberger.

Der an Plätzen werde wohl vorerst hoch bleiben – in der Ukraine, wo nach wie vor das russische Militär mit wechselndem Erfolg regelmäßig versucht, die Strom- und Wärmerversorgung zu zerstören, sieht es derzeit nicht nach Entspannung ist. Genau das gehört wohl auch zum perfiden Kalkül Putins: erinerseits die ukrainische Bevölkerung zu demoralisieren, damit sie Druck auf ihre Regierung ausübe. Und andererseits möglichst viele Flüchtlinge in den Westen zu treiben, damit dort die Unterstützung für den Krieg nachlasse.

Im Landkreis Eichstätt ist die Herausforderung zwar nach wie vor groß. Von Panik ist derzeit aber auch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Wer sich gestern in der Halle umgehört hat, ist dabei auf viele hilfsbereite Menschen beim THW und den beteiligten Institutionen und Behörden sowie der Polizei gestoßen, die natürlich in erster Linie dienstlich da waren – aber auch bestens gelaunt. Und ein wenig nachdenklich, wenn sie auf jene sechs Quadratmeter zwischen den Spinden und Stockbetten blickten, die den ankommenden wenigstens ein klein wenig Privatsphäre bieten sollen.

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