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Spürbarer Klimawandel: Vegetationsperiode 2022 noch früher

KU-Forscherteam zieht Klimabilanz über das Jahr 2022 – Heißes, trockenes Jahr und 17,1 Grad an Silvester

Eichstätt. – Welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Ablauf der jährlich wiederkehrenden Pflanzenentwicklung hat, untersucht Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette seit mittlerweile sieben Jahren mit ihrem Team in Eichstätt. Sie ist Inhaberin der Professur für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Nun haben die Forschenden wieder Jahresbilanz gezogen und mit schon vorliegenden Daten verglichen. Das Fazit ist klar: Der Klimawandel ist auch in der Region messbar.

Fest im Blick haben Teresa Benzing und ihre Mitstreiterinnen weit über 100 Pflanzenarten. Etwa alle drei Tage beobachten sie sorgfältig die phänologische Entwicklung der Pflanzen. Dabei werden die Eintrittszeitpunkte von Blattentfaltung, Blüte, Fruchtreife, Laubverfärbung oder Laubfall notiert, um Aussagen über den Einfluss der Temperatur ableiten zu können. Unter Beobachtung stehen knapp 100 der etwa 230 Bäume und Sträucher des Hofgartens, die aus Europa, Nordamerika und Asien stammen. Weitere Pflanzen werden im Kapuzinergarten, vor der Mensa und der Universitätsbibliothek beobachtet. Foto: Eisen/upd

Der Rückblick auf 2022 zeigt, dass zum Beispiel die Haselblüte bereits am 3. Februar einsetzte – und damit noch einmal zehn Tage früher im Vergleich zum Vorjahr – ein klares Indiz. Denn der Blühbeginn der Hasel markiert den Start der Vegetationsperiode in der sogenannten Phänologie. In diesem Forschungszweig untersucht und dokumentiert man systematisch das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen. Zusammen mit den Daten der universitätseigenen Wetterstation, die ebenfalls Studierende und Mitarbeitende von  Jochner-Oette betreuen, lassen sich klare Bezüge herstellen. Denn die Durchschnittstemperatur von elf Grad Celsius lag 2022 in Eichstätt mit mehr als zwei Grad erneut deutlich über der Referenzperiode von 1961 bis 1990. Dieser Zeitraum ist von der Weltorganisation für Meteorologie als Norm festgelegt worden, um das Klima einheitlich vergleichen zu können. Die Ergebnisse folgen damit Untersuchungen der vergangenen Jahre.

3,0 Grad mehr im Winter 2021/22 und Tonga-Vulkanausbruch in Eichstätt messbar

Bereits der Anfang des Jahres zeigte sich verglichen mit der Referenzperiode als deutlich wärmer und trockener, für den Winter wurde eine Abweichung von 3,0 Grad gemessen. Auch gab es im Januar und Februar nur einen „Eistag“, an dem das Thermometer dauerhaft unter dem Gefrierpunkt blieb. Die mittlere Temperatur im Februar betrug 3,8 Grad Celsius. Allergiegeplagte belastete nicht nur, dass der Pollenflug angesichts milder Temperatur noch früher einsetzte. „Auch die Niederschläge fielen im Februar und März deutlich geringer aus. Durch diese Bedingungen wurden die Pollen weniger aus der Luft herausgewaschen und führten so zu einer hohen Pollenbelastung“, schildert Jochner-Oette.

Generell war 2022 deutlich trockener als das Vorjahr: Während 2021 noch 732,7 Millimeter Niederschlag an der Wetterstation auf dem Eichstätter Campus registriert wurden, waren es im vergangenen Jahr insgesamt nur 588. Zu Jahresbeginn registrierten die Messinstrumente auch im Altmühltal ein außergewöhnliches Ereignis in weiter Entfernung: Der Tonga-Vulkanausbruch im Südpazifik machte sich zwischen dem 14. und 15. Januar mit zwei Druckwellen in den aufgezeichneten Werten bemerkbar.

Auf den bereits sehr milden Winter folgte ein ebenfalls milder, extrem trockener und sehr sonniger März mit Temperaturen bis über 20 Grad und nur 7,4 Millimetern Niederschlag an insgesamt zwei Tagen. War der April noch von wechselhafter Witterung mit Temperaturen zwischen -6,6 Grad Minimum und 24,1 Grad Maximum sowie leicht überdurchschnittlich viel Regen geprägt, gab sich der darauffolgende Mai mit durchschnittlichen Temperaturen von 15,9 Grad und Maximaltemperaturen bis zu 32,9 Grad deutlich zu warm. Im Mai war es nicht – wie noch im März – Sand aus der Sahara, der weite Teile Bayerns färbte, sondern der gelbe Pollenstaub der Fichten. Das als „Mastjahr“ bezeichnete Phänomen umschreibt die zyklische, übermäßige Produktion von Pollen und Früchten bei gewissen Baumarten.

Heißer Sommer, viele „Biergartentage“

Die hohen Temperaturen von Juni bis August, sowie die geringeren Niederschläge, spiegeln die deutschlandweit aufgetretene Sommerdürre wider. „Der Sommer 2022 war der sechsttrockenste Sommer und gehört zu den vier wärmsten Sommern seit Aufzeichnungsbeginn in Deutschland“, sagt Jochner-Oette. „Wie warm dieser Sommer war, lässt sich auch an unserem Parameter der Biergartentage feststellen. An ganzen 40 Tagen konnte man sich noch um 20 Uhr bei 20 Grad draußen aufhalten. Alleine im August gab es nur vier Tage, an denen das Thermometer nicht über 25 Grad kletterte“ – definitiv eine der positiveren Entwicklungen des Trends, der aber ansonsten viele Sorgen bereitet.

Rekordverdächtige 17,1 Grad an Silvester

Die Fruchtreife des Holunders läutet den Frühherbst ein. 2022 zeichneten die Landschaftsökologinnen diese phänologische Phase am 8. August auf und somit 15 Tage früher als im Jahr zuvor. 236 Tage nach Beginn der Vegetationsperiode wurde am 27. September, mit der Blattverfärbung der Stiel-Eiche, der Spätherbst und damit das Ende der Vegetationsperiode angezeigt. Den ersten Frost, der ein wichtiger Faktor für Blattverfärbung und Blattfall darstellt, gab es in Eichstätt erst am 13. November und damit über einen Monat später als im Vorjahr. Der phänologische Winter wurde anschließend durch den Blattfall der Stiel-Eiche gekennzeichnet.Mit einer mittleren Tem peratur von 1,6 Grad war der Dezember um 0,5 Grad wärmer als das Vorjahr. Und besonders herausgestochen haben die letzten Tage des Jahres: Am Silvestertag wurde an der Wetterstation der Universität um 13:10 Uhr ein Maximalwert von 17,1 Grad gemessen.

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Quelle
upd
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