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„GemEInsam gegen rechts“: Demonstration für Demokratie am Donnerstag

Malteser-Präsident Khevenhüller ruft zum „Eintreten für unsere Grundüberzeugungen“ auf

Eichstätt/Köln. – Hunderttausende Menschen haben in den vergangenen Tagen in ganz Deutschland „gegen rechts“ demonstriert. Politologen sprechen von einer „Wiedereroberung der Straße“ durch eine schweigende, demokratische Mehrheit – jetzt auch in Eichstätt: Für Donnerstag rufen mehrere Organisationen wie das Offene Antifaschistische Treffen (OAT) oder Fridays For Future und andere zu einer Demonstration auf. Unter dem Motto „GemEInsam gegen rechts“ soll ab 17 Uhr auf dem Eichstätter Marktplatz ein deutliches Signal gegen antidemokratische Bestrebungen in Deutschland gesetzt werden. Auch die Malteser äußern sich im Vorfeld deutlich: „Wir verurteilen jede Form extremistischer, rassistischer und völkisch-nationalistischer Einstellungen. Diese sind in keiner Weise mit unserem christlichen Menschenbild vereinbar.“

Der Aufruf zur Demonstration „GemEInsam gegen rechts“. Bild: oh

Mit diesen Sätzen beginnt ein Brief, den Georg Khevenhüller, Präsident des Malteser Hilfsdienstes Deutschland, Anfang der Woche an alle ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden im Malteserverbund versendet hat. Dass man das heutzutage extra betonen muss, zeigt auch, dass es an vielen Stellen große Sorge um die Demokratie gibt. Es kommt gerade etwas in Bewegung in einem Land, in dem bei Demonstrationen zuletzt vor allem Unmut geäußert wurde. Lange Zeit hatten rechte Akteure bei solchen öffentlichen Kundgebungen immer wieder „Wir sind das Volk“ skandiert.

„Selbstvergewisserung der Demokratie“

Das aber sei einfach nicht richtig, wie man jetzt sehen könne, sagte Politikwissenschaftler Claus Leggewie dem bayerischen Rundfunk. Wenn man sich daran erinnere, was bei den Pegida-Protesten in den vergangenen Jahren passiert sei, dann sei jetzt deutlich gezeigt worden, „wer das Volk ist, wer die berühmte schweigende Mehrheit ist, die sich jetzt mobilisiert hat und welche Minderheit die AfD ist“. Es sei wichtig, dies auf der Straße zu dokumentieren. „Selbstvergewisserung der Demokratie ist immer gut.“

910.000 Menschen sollen nach Schätzungen allein am vergangenen Wochenende in ganz Deutschland demonstriert haben – sie setzten damit ein deutliches Zeichen, dass sie mit der Vereinnahmung der Straße durch rechte Agitatoren, die zum Teil auch versuchten, die Bauernproteste für ihrer Zwecke umzudeuten, nicht einverstanden sind. Auslöser waren auch die vor Kurzem öffentlich gewordenen Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv zu einem Geheimtreffen rechter Akteure, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen hatten. Die AfD verharmlost zwar und sagt, die Politiker hätten nicht so genau gewusst, um was es dort gehe, aber das wirkt wenig glaubhaft.

Höcke vergleicht Demos mit „Fackelmärschen der Nazis“

Das kann man wohl auch nur als die übliche Reaktion des Abstreitens und Zurückziehens in die berühmte „Opferrolle“ interpretieren – es wird umso unglaubhafter, wenn der thüringische Afd-Rechtsaußen Björn Höcke dann bei einer Bürgersprechstunde in Gera vor Kurzem die Demonstrationen mit den Aufmärschen der Nazis 1933 vergleicht: „Man hat zwar Taschenlampen, also Handyleuchten in den Himmel gehalten. Aber es sah so ein bisschen aus wie 1933 die Fackelmärsche der Nazis“, so sagt er es in einem Video, das verschiedene Medien aufgegriffen haben. Und weiter: „Deutschland ist im Jahre 2024 keine funktionierende Demokratie mehr.“ Wie das mit rechten Aufmärschen und damit zusammenpasst, dass er das ungestraft so sagen darf, während man in Russland, wohin die AfD enge Beziehungen unterhält – eine AfD-Delegation hat etwa unmittelbar nach der Krim-Annektion die Krim besucht – selbst für die kleinste Kritik an der Regierung fürchten muss, eingesperrt zu werden, lässt er offen.

Offenbar wollen immer mehr Bürger das nicht mehr schweigend hinnehmen: diese schwelende Behauptung, dass es eine schweigende Mehrheit gebe, die durch ein Art linksfaschistoides Regime unterdrückt werde – manchmal mit verschwörungstheoretischen Verknüpfungen etwa zu „globalitären Misanthropen“, wie es die AfD-Europa-Abgeordnete Christine Anderson bei einem Wahlkampfauftritt Mitte Juli 2023 in Eichstätt nannte. Solche Formulierungen werden von rechten Aktivisten häufig im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien verwendet, denen zufolge die Welt von einem (jüdischen) Netzwerk um George Soros und andere gesteuert werde. Die EU bezeichnete die Europaabgeordnete in diesem Zusammenhang als „Drecksloch“. Das deutsche Volk soll offenbar wieder für sich sein.

Kundgebung und Demonstrationszug in Eichstätt

Solche Aussichten und die geheimen Pläne zur „Remigration“ wie sie bei dem geheimen Treffen mit dem österreichischen Rechtsradikalen Martin Sellner von der identitären Bewegung geäußert worden sein sollen, sorgen bei immer mehr Bürgern für Unbehagen – und für eine massenhafte Mobilisierung der offensichtlich echten schweigenden Mehrheit. In Eichstätt ist es am Donnerstag um 17 Uhr so weit: Eingeladen hat die linksorientierte antifaschistische Bewegung „Antifa“, sieht sich dabei aber nur als Initiator einer möglichst breiten demokratischen Plattform. Man habe daher neben mehreren Organisationen auch verschiedene Honoratioren aus Stadt und Landkreis Eichstätt eingeladen, wie der OAT mitteilt. Einer dieser Honoratioren aber hätte sich einen Veranstalter mit weniger deutlich linkem Profil gewünscht, wie er im Gespräch mit Ei-live erklärt. Nach dem Auftakt mit Redebeiträgen am Marktplatz um 17 Uhr soll sich ein Demonstrationszug durch die Marktgasse in die Luitpoldstraße, über den Residenzplatz und über die Spitalbrücke und den Herzogsteg zurück zum Marktplatz bewegen, wo dann noch einmal eine Abschlusskundgebung stattfinden soll.

Auch anderswo sieht man sich genötigt, sich gegenüber extremistische Tendenzen abzugrenzen. Nicht nur Uli Hoeneß wünschte sich bei der Verabschiedung von Franz Beckenbauer in der Münchner Arena zwar, dass man wie beim Sommermärchen 2006 wieder stolz auf unser Land sein könne und dürfe, „aber die AfD möchte ich da nicht dabei haben.“ „Aus aktuellem Anlass“ betont auch der deutsche Malteser-Präsident Khevenhüller in seinem Schreiben, dass die Malteser nicht nur seit jeher Menschen „ohne Ansehen von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Geschlecht“ helfen, sondern auch Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen beschäftigen. Er erinnert daran, dass die Malteser bereits 2018 in ihren Grundsätzen formuliert haben: „Eine politische Gesinnung, die sich unmittelbar oder mittelbar gegen die Würde des Menschen richtet, ist mit unseren Grundüberzeugungen nicht vereinbar.“ Er rufe daher alle Mitarbeitenden dazu auf, sich nicht zu scheuen, sowohl in ihrem beruflichen als auch privaten Umfeld für diese Grundüberzeugungen einzutreten.

Alberter: „eindeutig positionieren“

„Ich bin froh, dass wir Malteser uns hier trotz unserer grundsätzlichen politischen Neutralität klar positionieren – und sich unsere Mitarbeitenden auch eindeutig positionieren dürfen, etwa durch die Teilnahme an einer Demonstration gegen rechts“, kommentiert Christian Alberter, Diözesangeschäftsführer der Malteser im Bistum Eichstätt. „Spätestens seit den jüngsten Enthüllungen über das Treffen rechtsextremistischer Kräfte in Potsdam und deren Pläne, Millionen von Menschen zwangsauszuweisen, ist es auch vielen Maltesern wichtig, Haltung zu zeigen, für Demokratie und Menschlichkeit einzustehen – und das ist auch gut so.“

Aber bringt all das, bringen solche Demonstrationen überhaupt etwas oder bedienen sie nur den Opfermythos, den die rechten Hetzer ohnehin in den sozialen Medien bedienen? Ja, wenn das Ganze nachhaltig sei, schon, glaubt Politologe Leggewie gegenüber dem BR. Solche Demonstrationen seien ein wichtiges Signal für Unentschlossene und auch im Kampf gegen Hetze und Verunsicherung aus den sozialen Medien, glauben auch andere Experten. Wichtig sei aber, dass auch klargestellt werde, dass „gegen rechts“ vor allem gegen „Rechtsradikale“ bedeute und die Demonstrationen nicht nur eine antifaschistische Veranstaltung seien, sondern von einer möglichst breiten demokratischen Basis getragen würden. Wie breit dieses Bündnis sein kann, wird sich am Donnerstag zeigen.

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