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Klimawandel mit Pflanzen erforschen: KU koordiniert internationales Netzwerk

Klimawandel lässt sich anhand der Phänologie von Pflanzen „messen“

Eichstätt. – Nicht nur technisch ausgefeilte Messgeräte bieten mit ihren Daten Grundlagen für das Verständnis von Klimawandel und Witterung, sondern auch die systematische Beobachtung der Natur selbst. Mit Hilfe der sogenannten Phänologie untersuchen Forschende deshalb die jährlich wiederkehrenden Entwicklungsstadien von Pflanzen. Ein internationales Netzwerk dokumentiert sie im Zeitverlauf – unter Führung von KU-Professorin Susanne Jochner-Oette. Schon seit vielen Jahren beobachtet sie mit ihren Studenten die Pflanzen im Hofgarten vor der Sommerresidenz und anderswo – nun als Teil der „Internationalen Phänologischen Gärten“.

Pflanzenkennerin: Susanne Jochner-Oette begutachtet Pflanzen, die mit einem Pflanzenpass versehen und an das Netzwerk der Internationalen Phäno-logischen Gärten versandt werden. Foto: Schulte Strathaus/upd

Mit langen Zeitreihen lassen sich anhand von Blühbeginn oder Laubverfärbung Veränderungen von Witterung und Klima dokumentieren und mit anderen Messdaten zusammenführen. Mit den Internationalen Phänologischen Gärten (IPG) hat Prof. Dr. Susanne Jochner-Oette von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) nun die wissenschaftliche Leitung und Koordination eines etablierten europäischen Netzwerkes in diesem Forschungsbereich übernommen, das seit rund 70 Jahren besteht. Jochner-Oette ist Professorin für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung. Mit ihrem Team erforscht sie bereits seit mehreren Jahren die Phänologie für einen festen Kanon an Pflanzen rund um den Campus der KU.

Genetisch identische Bäume in ganz Europa

Das Grundprinzip der Internationalen Phänologischen Gärten besteht darin, dass genetisch identische Bäume und Sträucher über Europa verteilt eingepflanzt werden und man anschließend ihre Entwicklung standardisiert beobachtet. Derzeit gehören 61 solcher phänologischen Gärten von Finnland bis Portugal dem Netzwerk an. Die Vermehrung der Pflanzenklone erfolgt zentral über das Walderlebniszentrum Grafrath des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürstenfeldbruck. „Durch den Ausschluss der genetischen Variabilität haben wir die Möglichkeit, bessere Rückschlüsse auf den Einfluss von Umweltfaktoren und der Reaktion von Ökosystemen darauf zu ziehen“, schildert Professorin Jochner-Oette.

Bereits 1953 entstand in der Weltorganisation für Meteorologie die Idee für ein solches Netzwerk, das 1957 schließlich offiziell gegründet wurde. Nach der Universität Göttingen, der TU München und dem Deutschen Wetterdienst leitete zuletzt Prof. Dr. Frank-M. Chmielewski vom Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität Berlin das IPG-Netzwerk, das nun Professorin Jochner-Oette – unterstützt von ihrer Mitarbeiterin Johanna Jetschni – koordiniert. Neben dem Zusammenführen der gewonnenen Beobachtungsdaten gehört dazu unter anderem auch der Versand von neuen Pflanzen an die Partnereinrichtungen in Europa. Zudem haben Jochner-Oette und ihr Team nun auch in Eichstätt einen phänologischen Garten im Außenbereich der Eichstätter Zentralbibliothek angelegt.

Die Natur im Blick: Seit mehreren Jahren dokumentieren Studierende der Professur für Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung mehrmals pro Woche die Entwicklung von über 100 Bäumen und Sträuchern rund um den Eichstätter Campus der KU. Foto: Jetschni/upd

Wichtige Erkenntnisse für Umwelt, Landwirtschaft oder Allergiker

Sie betont: „Das grundlegende Verständnis, wie Ökosysteme auf Umweltveränderungen reagieren, ist auch eine Basis für Managemententscheidungen, zum Beispiel in der Forstwirtschaft.“ Dabei dokumentieren die IPG nicht nur optisch wahrnehmbare Veränderungen der Natur. Die Erkenntnisse können darüber hinaus auch dazu dienen, um die Berechnung von Klimamodellen zu präzisieren. Denn auch die Pflanzenentwicklung selbst hat Auswirkungen auf das Klima: Die Verdunstung durch Blätter verändert Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit. Dichte Baumkronen halten Sonneneinstrahlung von der Erdoberfläche fern und beeinflussen so das Mikroklima am Boden.

Hinzu kommen biochemische Stoffkreisläufe zwischen Pflanzen und der Atmosphäre – etwas im Hinblick auf den Kreislauf von Kohlendioxid. Das Timing für den Beginn der Blüte wiederum hat zum Beispiel Einfluss auf Insekten, die sich vom Nektar ernähren. Verlagert sich die Blüte im Zuge des Klimawandels stärker nach vorne als die Aktivitätsperiode der Insekten, so entsteht ein „ecological mismatch“ mit entsprechend negativen Auswirkungen.

Doch nicht nur mittelbare Folgen für den Menschen nimmt die Phänologie in den Blick, sondern auch direkte Auswirkungen auf die Gesundheit durch allergene Pflanzen. Jochner-Oette untersucht derzeit unter anderem in einem separaten Projekt, wie sich die Belastungen für Allergiegeplagte besser vorhersagen lassen. Phänologische Grundlagen sind hierfür unverzichtbar. Wachstum und Reife sind außerdem in der Land- und Forstwirtschaft elementare Faktoren, daher wirken sich auch hier die Änderungen durch den Klimawandel stark aus.

Weitere Informationen zu den Internationalen Phänologischen Gärten finden sich unter https://ipg.ku.de.

Quelle
upd
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